Schlüsselindustrien verstaatlichen?
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- Der Bär
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Als unsinnig und kommunistisch wurde das von den anderen Parteien bezeichnet. Als undurchführbar und weltfremd.
Ob das sinnig oder unsinnig ist, will ich auf Anhieb nicht entscheiden müssen. Aber ich denke, dass zum Teil radikale (oder sagen wir mal - ansatzweise radikal klingende) Ideen zumindest überdacht werden müssen, um ein festgefahrendes System zu erneuern oder zumindest mal zu kucken, ob es da einen Weg gibt, den bisher noch keiner zu gehen sich getraut hat.
Und je länger ich darüber nachdenke, desto eher halte ich es für real überlegenswert.
Nennt mich Hippie oder Spinner, Weltverbesserer oder weltfremden Gutmenschen, aber ich frage mich, ob es in Ordnung ist, wenn zum Überleben unabdingbar wichtige Bedürfnisse in einen kapitalistischen System stecken.
Anders erklärt: Ich gehe mal davon aus, dass Dinge wie Wärme, Wasser, Strom grundlegende Bedürfnisse in einer modernen Welt darstellen. Ich gehe auch mal davon aus, dass wir uns darauf einigen können, dass an sich jeder auf diese Sachen ein Anrecht haben müsste, um leben zu können. (Ja, ich weiß, in anderen Ländern gibs auch kein sauberes Wasser, keinen Strom und von Heizungen will ich auch nicht reden, aber es geht mir nicht um andere Länder, sondern um dieses.)
Wie kann (und darf) es überhaupt sein, dass eine gewinnorientierte Firma mit diesen Sachen handeln darf und Gewinne damit machen darf? Man kann diesen Firmen natürlich nicht den Vorwurf machen, dass sie Geld verdienen wollen - das ist natürlich ihr Selbstzweck - aber darf mit Gütern, die man zum Leben braucht, Gewinne gemacht werden?
Würde damit dem Missbrauch nicht Tür und Tor geöffnet?
Quasi nach dem Motto: "Hey, ich weiß, dass du im Winter frierst. Wenn du Wärme willst, musst du mir den dreifachen Preis bezahlen. Ach nein, nicht nur das: Leih mir mal deine Frau. Du frierst an deinen Körper, und bei mir ist es die Seele."
Wirklich mal ganz menschlich und moralisch gefragt: Darf das sein?
Ich nehme mal als anderes Beispiel die Banken. Das System der Konten und Verwaltung durch die Banken und der größenteils bargeldlose Verkehr hat dazu geführt, dass man ohne ein Konto bei einer Bank kaum noch auskommt. Es sei denn, man ist bereit, wesentlich höhere Kosten und Aufwände zu tragen. Teilweise ist man völlig aufgeschmissen. Durch diese Abhängigkeit können Banken inzwischen nahezu jede Art von Gebüheren veranschlagen - in nahezu jeder erdenklicher Höhe. Denn der Kunde kann nicht mehr frei wählen, ob der das akzeptiert - tut er es nicht, ist er vollkommen aufgeschmissen. Es ist sogar so, dass sich Banken nicht mal an Gesetze halten. "Gebühren bei Rückbuchungen" ist mal ein Beispiel.
Es dürfte klar sein, worauf ich hinaus will.
Das Problem bei der ganzen Sache ist, ihn wessen Hände man diese Schlüsselindustrien legt. Wohl in die Hände des Staates. Dieser dürfte quasi nur auf einer "Vereinsbasis" arbeiten, das heißt, dass er keine Gewinne generieren dürfte.
Einfach gesagt.
Kann das also nur klappen, wenn wir einen Staat hätten, dem wir vertrauen können? Wer sagt denn, dass der Staat nicht genauso gewinnorientiert arbeitet, wie die Industrie, wenn man ihm die Mittel dazu in die Hände gibt?
Und außerdem: Wo würde das aufhören? Schließlich ist Nahrung auch nicht ganz unwichtig zum Leben. Soll die Nahrungsmittelindustrie auch in staatliche Hände?
Und überhaupt: Ist das Kommunismus? Hat der nicht verloren?
Was also dann?
Watashi no namae wa usagi desu.
www.silber.de
Es ist ein Fehler heute noch die Antworten von gestern geben zu wollen. Das politische System im ehemaligen Ostblock hatte mit dem ursprünglichen "kommunistischen" Ideengut ja sowieso nichts gemein - sie haben es ja auch selbst Marxismus-Leninismus genannt. Auch ob diese Ideen irgendwie praktikabel anwendbar wäre, ist mir keine Diskussion wert.
Aber! Man darf heute, wie der Bär sagt, "radikale" Ideen nicht einfach abtun, indem man sagt: "Sieh doch, was die im Osten gemacht haben! Willst Du etwa das?" Das ist ganz ähnlich, wie die Sache mit dem bedingungslosen Grundeinkommen, die hier ja auch schon mal angesprochen wurde. Wer solche Sachen mit einem "Du bist doch ein weltfremder Gutmensch" abtut, unterstützt letzten Endes aber auch die Fortführung des Gehabten. Und das macht die Dinge nicht besser, da sind wir uns alle einig.
Also: Ja, auch ich bin der Meinung, dass Energieversorgung, die großflächige Verkehrsinfrastruktur und Wasserversorgung vom Staat zumindest mit kontrolliert werden müssen. Denn dabei geht es nicht um Gefälligkeiten, sondern um grundlegende Rechte und auf diesen Gebieten dürfen die Menschen in einem modernen Staat eigentlich nicht "erpressbar" sein.
Ob das jetzt eine linke oder rechte, grüne, rote, gelbe (na die bitte nicht), ampelmäßige, konservative, soziale, sozialistische oder was weiß ich für eine Meinung ist, ist mir persönlich völlig egal.
Krass gesprochen: Wahres bleibt wahr, sogar wenn es ein Lügner sagt. Und das abzutun, nur weil derjenige, der diese Wahrheit ausspricht irgendeiner bestimmten Gruppierung angehört und eine Diskussion eben nur genau deswegen abzuwürgen, ist armselig.
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- 1 kg Barren Mitglied
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Das Schöne an Infrastruktur ist aber immerhin, dass man sie nicht ohne Weiteres mitnehmen kann - und so bliebe dann noch die staatliche verordnete Repatriierung in das Volkseigentum.
Der Nachteil - man kann es zwar nicht mitnehmen, aber über Jahre verrotten lassen und trotzdem die Gebühren kassieren. Nirgendwo besser zu sehen als an den 100ten Wohnanlagen, die deutsche Wohnungsbaugenossenschaften in Kommunenbesitz an ausländische Investmentgesellschaften verkauft haben: Mieten rauf, Pseudoreparaturen durchführen, Mieten weiter rauf wegen "Wertsteigerung", Hütten weiter verfallen lassen und dann die ausgepresste Zitrone wieder an den Staat bzw. die Kommune zurück-verramschen, bevor diesem der Bürger wegen der Duldung bzw. des Verursachens dieser Missstände aufs Dach steigt.
Man kann sich als Politiker schwerlich über Heuschrecken beschweren, wenn man ihnen über Jahre bereitwillig das Futter streut.
Ist es deshalb billiger für den Bürger? Eher das Gegenteil ist der Fall, weil staatliche oder kommunale Betriebe meist einen deutlich größeren Verwaltungsapparat haben.
Zudem birgt es die Gefahr, dass andere Finanzlöcher über die Versorgung gestopft werden, weil die ja jeder braucht, ob er will oder nicht.
Hier in meinem Wohnort sind Wasserversorgung- und Entsorgung, wie auch Strom in kommunaler Hand. Das Geld ist knapp, was passiert? Letztes Jahr wurden die Abwasserkosten drastisch erhöht, zum 1.7. werden die Stromkosten drastisch erhöht, die Grundsteuer und die Gewerbesteuer sollen erhöht werden.
Alles Positionen die nicht nur den Hausbesitzer, sondern im Rahmen der Nebenkosten auch den Mieter treffen (außer Gewerbesteuer natürlich).
Wir leben hier in einer eher strukturschwachen Gegend mit günstigen Mieten. In einigen meiner Häuser liegen die monatlichen Nebenkosten (incl. Heizung/Warmwasser) schon deutlich über der Hälfte der Kaltmiete.
MapleHF
Du hast natürlich vollkommen recht, dass der "öffentliche" Besitz kein Garant für niedrige Preise ist.
Das war - bei allem Interesse, die naturgemäß jeder an den Energiekosten haben muss - aber auch nicht das Thema.
Was ich sagen wollte ist, dass in meinem Denken es eigentlich zum Selbstverständnis eines Staates gehören müsste seinen Bürgern (also dem "höchsten Souverän" ...) gewisse infrastrukturelle Dinge zugänglich zu machen, ohne sich in eine allzu große Abhängigkeit von Einzelinteressen (Konzerne) zu begeben. Ich meine, Staaten sind heutzutage eh schon in viel zu hohem Maße durch Wirtschaftsunternehmen erpressbar.
Ob einem das eventuelle Mehrkosten wert sein sollte? Naja, niemand zahlt gern. Andererseits wird gerade im Energiebereich der Preis ja nicht durch einen Markt festgelegt - egal was man da behauptet. Als die Bundesrepublik mit aller Macht hoch entwickelte Atomtechnik verfügbar haben wollte ohne den Sperrvertrag zu verletzen, wurde/wird die Kerntechnologie gefördert bis zur Absurdität und die "ewigen" Folgekosten einfach nicht einberechnet. Schwupps hatten wir billigen Atomstrom. Und heute modern die Castoren (noch immer oberirdisch in einer Lagerhalle!) vor sich hin. Ob das alles RWE&Co zahlt?
Heute (Rot-Grün lässt grüßen) erhältst Du beim Einspeisen von Solarstrom mehr Geld als der beim Verkauf dann kostet. Auch nicht wirklich marktorientiert.
Für die Zukunft werden riesige Offshore Windkraftwerke und Solarerzeugung in der Sahara (für Mitteleuropa) angedacht. Dezentralisierte Erzeugung vor Ort (die Renaissance der Mühlen am rauschenden Bach ) wird als unwirtschaftlich abgetan. Ob dem so ist, weiß ich nicht - aber auf jeden Fall wird mit den Giganto-Projekten die Abhängigkeit des Staates von den Energieerzeugern zementiert. Aber jetzt schweife ich wohl zu sehr ab ... sorry.
Nur eins noch:
Ich fürchte, wir machen uns noch gar keine Vorstellung davon, was Energie in 20 Jahren kosten wird - egal wem das Kraftwerk gehört.
Du gehst von der falschen Vorstellung aus, dass der Bürger der höchste Souverän im Staat ist. Das sollte er in der Theorie zwar sein, aber in der Praxis wird er nur alle 4 Jahre als "Wahlvieh" mißbraucht und kann sich für das, seiner Meinung nach, geringere Übel entscheiden. Was mich nicht daran hindert immer noch wählen zu gehen. Denn wer nicht wählt, braucht sich hinterher auch nicht zu beschweren.
Geht es um Entscheidungen, die wirklich von Bedeutung sind und es ist anzunehmen, dass der Bürger nicht dafür stimmt, so wird er einfach nicht gefragt. Und da besteht dann komischerweise über alle Parteigrenzen hinweg Einigkeit. Ein herausragendes Beispiel für diese Vorgehensweise war die Euro-Einführung.
MapleHF
P.S.
Hältst es auch mit Benjamin Franklin, was?
Early to bed, early to rise, makes a man healthy, wealthy and wise
Mittlerweile sieht man die große Gefahr, die so etwas mit sich bringt: es wird alles kaputtrationalisiert!
"Was ist der Unterschied zwischen Sozialismus und Kapitalismus? Im Sozialismus wird erst alles verstaatlicht und dann runtergewirtschaftet und im Kapitalismus wird erst alles runtergewirtschaftet und dann verstaatlicht."
Was an sich ein Scherz ist, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als leider wirklich treffend formuliert.
Stromkonzerne, die in Deutschland faktisch ein Kartell bilden gehören in staatlicher Hand, oder zumindest soweit kontrolliert, dass die Preise wirklich der Markt macht (Strombörse Leipzig e.g.) und nicht die Konzerne selbst.
Wenn man aber sieht, dass die Politiker selbst in den Aufsichtsräten bei RWE, Vattenfall etc. sitzen, dann weiß man, wo der Hase läuft.
Eine Unze bleibt eine Unze bleibt eine Unze! Mittler zwischen Hirn und H�nden muss das Herz sein!
- Götz von Berlichingen
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