Was ist eigentlich ein freier Markt?

Tagesgespräch zu Wirtschaftsthemen wie Geldmarkt, Börse, Währung, Finanzkrise, Inflation aus Deutschland und der Welt

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Beitrag 24.11.2012, 08:13

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Ladon
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Wenn es um den "freien Markt" geht, prallen in der Regel (und in Foren) mit ziemlicher Sicherheit polemisch vertretene Ideologien aufeinander und der "Beobachter" ist nach der Lektüre dieses Austausches von diversen "Vorurteilshämmern" zumeist nicht klüger als zuvor.

Dabei gibt es einige Fragen, die durchaus mal "wertfrei" überdacht werden könnten.
So zum Beispiel die Forderung nach einem "freien Markt", nach Deregulierung und der daraus resultierenden "Selbstregulierung" durch Marktkräfte. Das ist ja eine schöne, in sich durchaus logische und nachvollziehbare, eine wortwörtlich "einfache", elegante Lösung für viele Probleme, die man beobachten kann.
Es gibt aber ein paar "Stolpersteine". Grundsätzlich wird dabei nie erwähnt, dass man mit dieser Forderung immer von einem zu erreichenden Idealzustand ausgeht, einer "Utopie", die, wie jedes "Ideal", außerhalb der tatsächlichen Erreichbarkeit liegen wird. Und von daher vielleicht gar kein praktisches Modell ist (ein historisches Beispiel gibt es - zumindest in unserem Kulturkreis, der ja nicht verlassen werden soll - nicht).
Die Forderung bleibt also immer "konjunktivisch": Es wäre gut; es würde sich ausgleichen, es müsste eben so und so sein ... Seit Smith berufen sich die Verfechter immer wieder darauf, dass "es" gut würde, wenn denn nur ... Jeder Widerrede kann man mit dem (recht bequemen) "Argument" begegnen, wenn die Forderung nur tatsächlich verwirklicht wäre, dann wäre es gut. Das ist irgendwie unbefriedigend. Wenn das Wörtchen "wenn" nicht wär' ...
Noch viel schwerwiegender als dieser grundsätzliche Argumentationsmangel ist es aber, dass seit Jahrhunderten, wenn nicht Jahrtausenden, ALLE Märkte, die "wir" kennen, im Gefolge und in Verquickung mit staatlicher Gewalt entstanden sind - oft von Feudalherrschern/Staaten oder kultischen (religiösen) Strukturen gefördert, um genau deren Interessen zu dienen.
Es erscheint geradezu grotesk, DIESE Märkte von (wenigstens rudimentären) Kontrollmechanismen zu befreien.
"Der" beobachtbare Markt ist keine für sich existierende Entität, keine logische Zwangsläufigkeit, die in Gesellschaften wie ein "deus ex machina" entsteht und in einer unbeeinflussten Sphäre zu walten vermag. Das (und jetzt wird es richtig spannend!) bedeutet aber auch, dass das real und heute Existierende mit der "Smithschen Utopie" nichts zu tun hat. Oder anders ausgedrückt: Ein wirklich freier Markt muss aller Voraussicht nach ERHEBLICH anders strukturiert sein als alles existierende und kann wohl kaum aus dem Bestehenden entwickelt werden.
Oder?
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Beitrag 24.11.2012, 12:05

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Goldhamster79
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Definiere "frei" und definiere "Markt", dann können wir weiterreden :P

und was sind "DIESE Märkte" nun wieder?

smilie_08

Beitrag 24.11.2012, 12:27

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Ken.Guru
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mit dem freien markt ist es wie mit dem freien willen, beides eine illusion.
die objektive realität ist kaum erkennbar, was wir aber immer wahrnehmen ist die subjektive realtät.
der markt wird zwar nach wie vor von angebot und nachfrage bestimmt. aber wer erzeugt angebot und nachfrage ???? jetzt mal abgesehen von existentiellen dingen wie lebensmittel oder dinge des täglichen bedarfs, aber selbst da bin ich mir nicht sicher wer angebot oder nachfrage regelt, die werbung oder der verstand ??????????

Beitrag 24.11.2012, 12:32

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Goldhamster79
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Ken.Guru hat geschrieben:selbst da bin ich mir nicht sicher wer angebot oder nachfrage regelt, die werbung oder der verstand ??????????
Wenn ich mir da so die I-Face-Fon-Book Zombies anschaue beantwortet sich Deine Frage von ganz allein smilie_16

smilie_13 ich bin böse, ich weiß

Beitrag 24.11.2012, 13:19

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Ken.Guru
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zombie´s oder zombiester triffts recht gut :mrgreen:

Beitrag 24.11.2012, 21:19

bingo
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ist Thema u.a. diese Woche im wöchentlichem Martkkommentar vom Thorsten Polleit

http://www.degussa-goldhandel.de/de/marktreport.aspx

runterscrollen ... eine sehr lesenswerte wöchentliche Lektüre.

Beitrag 25.11.2012, 07:23

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Ladon
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Goldhamster79 hat geschrieben:Definiere "frei" und definiere "Markt", ...
"Diese" Märkte sind die existierenden.

Markt ist jenes "Etwas", jener Ort, jener Mechnismus, auf dem sich nach marktwirtschaftlichen Zwangsläufigkeiten PREISE bilden und Güter (und Dienstleistungen) von demjenigen, der sie anbietet zu jemandem der sie benötigt, vermittelt werden.

"Frei" wäre hier, ganz im konventionellen Sinn, absolute Unabhängigkeit von jeglicher Kontrolle der "marktwirtschaftlichen Zwangsläufigkeiten".(Dieser verquaste Begriff dient nur das, das Wort "Regeln" zu vermeiden, weil "Regeln" aufgestellt und gebrochen werden können. Das soll ja aber nicht der Fall sein.) durch Staaten/Feudalherrscher/Religionsgemeinschaften.


Die Frage dreht sich also darum: Real existierende Märkte sind offenbar nicht "frei", sondern eng mit politischen (oder besser: Macht-) Interessen verknüpft, wenn nicht gar zur Durchsetzung dieser Interessen erschaffen. Woraus sich ergibt mit einiger Berechtigung zu fragen, ob ein aus diesem Konstrukt herausgelöster Teil ("der" Markt) überhaupt in der Lage sein kann, den Anforderungen der "Smithschen Utopie" (quasi als Axiom der Ökonomik) zu genügen?
Oder noch einmal anders herum: Die etwas beunruhigende Überlegung, dass erst die Bildung von Preisen UND deren Bezahlung mit Bargeld Machtstrukturen dazu befähigt, Steuern einzunehmen, Söldner zu bezahlen und was man eben so macht als Staat. Dann ist "der Markt" kein missbrauchtes Instrument, das befreit werden muss, sondern ein zu bestimmten Zwecken dienendes Werkzeug, das genau dafür erschaffen wurde.
Um diesen letzten Gedanken etwas greifbarer zu machen: Für den Kaufmann im Mittelalter war sein "Kredit" ausschlaggebend. Und zwar im weiteren Sinn, nicht nur in Währungseinheiten messbar. Man musste Vertrauen haben, dass der Geschäftspartner korrekt arbeitet und beim Clearing am nächsten Messetermin wird abgerechnet. Eventuelle Differenzen vielleicht sogar mit Zahlungsmittel ausgeglichen ... wahrscheinlicher aber einfach stehen gelassen. Hier war es für damalige Staaten schwierig konkreten Zugriff zu erhalten, jedenfalls war da schwer etwas herauszuholen, was den Söldner zufriedengestellt hätte. Man war also gezwungen, die Kaufleute (gelegentlich mit "ein wenig" Druck) zu "Kreditgebern" und das Geld (alles Geld, Münzen, Noten, Schuldscheine, Wechsel, Buchgeld) praktisch zu einer Ware zu machen. Und prompt gerieten die Bauern in die Schuldenfalle, die sich schließlich in Aufständen entluden. Und als - dank der Beute aus Amerika - auf einmal genügend "Kleingeld" real vorhanden war (es dauerte keine 100 Jahre) sieht man auf militärischem Gebiet wieder Massenheere von Berufssoldaten (das gab es so seit der Antike in Europa nicht mehr).
Das also sind - natürlich beispielhaft und unter Berücksichtigung des historischen Kontext - die zwei "Ausprägungen" des Marktes: Kreditbasiert, mit geringem Bargeldumlauf, wird er zur Staatsfinanzierung genutzt, indem man Darlehen mehr oder weniger fordert und sie prinzipiell (bis zum Zahlungsausfall, der unweigerlich kommt) ausgesprochen gut "bezahlt". Die mögliche Rendite ist bisweilen ungeheuerlich. Die Geschichte der Fugger, insbesondere wie sie Karl gegen den Franzosen zum Kaiser machen, ist ein Paradebeispiel ... auch ihr Niedergang als die Herrscher die Forderungen nicht mehr bedienen und ihr eigener "Kredit" als Bankiers verspielt wird. Trotzdem haben sie für sich einen gewissen Reichtum bis in die Gegenwart konservieren können. Ein Beispiel, warum "der Markt" Staaten immer wieder bedient. Die zweite "Ausprägung des Marktes" ist bei hohem Bargeldumlauf zu sehen. Messen und wohl auch viele lokale Märkte, immer wenn es um Gruppen geht, die sich in einem sozialen Geflecht befinden, können relativ problemlos ihre Geschäfte auf Kreditbasis abwickeln (die sprichwörtlichen Kerbhölzer deuten darauf hin), einen größeren, universelleren Markt, der keine Vertrauensbasis (innerhalb einer Gruppe, ob Kaufmannschaft, Gilde oder Dorf) braucht, ist mit einem allgemein gültigen Zahlungsmittel zu erreichen. Nur Bares ist Wahres und ich kann damit Geschäfte machen mit Leuten, die ich nie wieder sehe und deren Leumund mir herzlich egal sein kann ... z.B. auch mit dem Söldner, der die bare Münze als Sold erhalten hat. Und in dieser Welt ist das Eintreiben von Abgaben für den "Staat" ja auch viel einfacher. Den "Verlust" von Fronarbeitern kann man verschmerzen, weil der Bauer in der Schuldenfalle am Ende auch wieder umsonst arbeiten muss - aber das nur nebenbei.
Nun könnte man ja mit einiger Berechtigung sagen: Genau das ist doch der Grund, warum man "den Markt" vom unheilvollen Einfluss der "Staaten/Machthaber" befreien muss! Das Problem ist aber - wie angedeutet - dass die Finanzierung von Staaten zwar ein gefährliches Spiel ist (irgendwann zahlen die nicht mehr) ... aber auch fantastische Gewinne bringen kann. Zugriff auf reales Vermögen (die erwähnten Fugger z.B. bekamen in ganz Europa die Erträge von Silberminen als Pfand)! Im Sinne des libertinären "self-interest" (die Doppeldeutigkeit von "interest" im Englischen ist irgendwie ziemlich bemerkenswert) werden es also genau diese Geschäfte mit dem Staat sein, die angestrebt werden, weil die sich richtig rentieren.
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Beitrag 25.11.2012, 11:55

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Ken.Guru
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@ladon
du hast definitiv recht wenn es um die logischen, rationalen dinge und/oder gesetze des marktes geht. meinen respekt.
das problem warum märkte gewissermaßen "einseitig" funktionieren ist einfach nur der "kunde" mit seinem unwissen.
es wäre allerdings eine utopie zu erwarten das sich alle und jeder mit den gesetzen des marktes beschäftigen und diese auch begreifen. es wird immer irgend jemanden oder "irgendetwas" geben, wer/was ein produkt realer oder virtueller natur kauft ohne zu begreifen was er/es tut.
da der "markt" von menschen gemacht ist funktioniert auch ähnlich wie ein mensch, teilweise rational und teilweise irrational. und die, die rational genug denken werden wohl auch die besseren geschäfte machen, vorausgesetzt sie beherrschen nicht nur die rationalen gesetze sondern auch die psyschologie von mensch und "maschine".
moralvorstellung jetzt einmal ausen vor gelassen. interessiert in der hochfinanz eh kein schw....

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