Was sind eigentlich Börsenkurse?

Tagesgespräch zu Wirtschaftsthemen wie Geldmarkt, Börse, Währung, Finanzkrise, Inflation aus Deutschland und der Welt

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Beitrag 05.04.2011, 14:53

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Ladon
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Noch etwas - ganz im Ernst - dazu:

Nach meiner Meinung (ich sage das also jetzt quasi hinter vorgehaltener Hand) ist es so, dass EM (zumindest Gold) weder der Hund noch der Schwanz ist, sondern höchstens die Zecke im Hundefell, also eben nicht IM System, wenngleich schon damit verbunden. Diese Sicht ist auch ein wichtiger Grund für meine Golddeckungs-Abneigung ... dann würde mein Schatz da wieder reingezogen und womöglich vom Hund (oder der Katze) verdaut!
Höflichkeit ist keine Schwäche - Empathie ist keine Dummheit - Moral ist nicht moralinsauer

Beitrag 05.04.2011, 15:18

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Ladon
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Mir lässt sowas ja keine Ruhe. Guckt mal was ich - nach einigem Blättern - beim Bernd Senf gefunden hab' (Ich wusste doch, dass ich in der Richtung mal irgendwo was gesehen hatte)

Bild

Der ist natürlich Fachmann und führt dabei aus, dass diese Entwicklung Folge des "Neoliberalismus" mit der "Verteufelung" aller Eingriffe und dem Abbau der Beschränkungen der internationalen Kapitalströme seit etwa 1980 ist.
Das ist viel fundierter ausgedrückt und viel besser belegt als ich alter "Plauderer" das könnte (Naja, der war immerhin VWL-Prof, da sind die Ansprüche auch höher, würde ich sagen). Aber es geht in die gleiche Richtung - auch wenn er nicht die von mir absichtlich provokant formulierte These vom gewollt aufgebauten Instrumentarium, als das ich den Finanzmarkt-Bereich bezeichnet habe, benennt (Zu unwissenschaftlich vielleicht ... obwohl ... der "alte Zausel" hat da ja eigentlich keine Berührungsängste wie so manch anderer Akademiker).
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Beitrag 05.04.2011, 15:52

Fin
nameschonweg hat geschrieben:Könntet Ihr Zwei mir das bitte nochmal anhand einer Katze erläutern ...
Bedauerlicherweise ist das unmöglich, da meine ständige Begleitung (Hund) solcherlei Erfahrungen nicht zuläßt.
Zuletzt geändert von Fin am 06.04.2011, 20:52, insgesamt 1-mal geändert.

Beitrag 05.04.2011, 20:17

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thEMa
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Zum Thema "bedenklich" aus meiner Sicht:

Bedenklich ist nicht die Inflation (also das Geldmengenwachstum) an sich, sondern durchaus der Entstehungsort dieses Wachstums und die daraus reslutierende Verteilung des Geldes. Andernfalls könnte man einfach von Zeit zu Zeit ein paar Nullen streichen und gut is.
Aber irgendwann ist dieser Puffer voll und muss etwas Druck ablassen. Und spätestens dann konkurriert das Geld aus dem Paralleluniversum massiv mit den mühsam verdienten Kröten, die sich durch wirkliche Wertschöpfung verdienen lassen.
Ceterum censeo anatocismum esse delendum

Der Zins, sie zu knechten, sie alle zu finden,
ins Dunkel zu treiben und ewig zu binden.

Beitrag 05.04.2011, 20:40

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Ladon
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Schön gesagt! smilie_09

Und so kurz ... das könnte ich nie smilie_16
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Beitrag 05.04.2011, 21:08

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TimmThaler
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Ein steigender DAX bzw. steigende Aktienkurse sind tatsächlich für die Ökonomie gut.

Zwar produziert Siemens, unabhängig ob die Aktie bei 50 oder 100 steht, die gleiche Warenpalette zu gleichen Produktionskosten.

Jedoch muß sich ein wachsendes Unternehmen ja am Kapitalmarkt refinanzieren, und dafür u.a. wurden ja Aktien bzw. die Rechtsform der AG mal erfunden.

Nun kann eine Siemens bei einem Aktienkurs von 100 (verglichen mit einem von 50) sich doppelt so gut mit Eigenkapital versorgen, durch Neuemission von Aktien, Wandelschuldverschreibungen, Optionsanleihen etc. pp..

Denn diese Instrumente basieren ja alle auf der Höhe des Aktienkurses. Bei 100 kann man locker eine Kapitalerhöhung zu sagen wir mal 85 durchführen, bei 50 wäre maximal eine zu 40 oder 42 drin.

Stünde der Aktienkurs gar (Extremannahme) bei 2,56, wäre der Weg an den Kapitalmarkt versperrt, denn laut Gesetz darf eine Kapitalerhöhung bei einer AG nur erfolgen wenn das Grundkapital voll eingezahlt wird, also mindestens diese 2,56 (mit gewissen Ausnahmen, die bei Siemens aber nicht greifen würden).

Gegenbeispiel Commerzbank: bei dieser Bank sieht man, wie ein (sicher gerechtfertigter) niedriger Aktienkurs weit vor der 2,56 bereits eine Refinanzierung am Kapitalmarkt arg erschwert.

Die Cobank steht aktuell irgendwo bei 5,60, und benötigt relativ bald relativ viele Milliarden frisches Kapital.
Anders als Siemens kann die Cobank nun keine Aktien für 85 oder 40 emittieren, 5,59 ist die theoretisch absolut obere Grenze, wenn man 'freiwillige' Zahler benötigt. Realistisch dürften 4,50 oder 4,60 sein.

Da die Cobank nun aber bis zu 12 Milliarden benötigt, um alleine den Staat mit seiner Nothilfe auszubezahlen, müßte man gigantische Mengen an Aktien (Milliarden Stück) zu extrem niedrigen Preisen (unter 5) emittieren, um überhaupt am Markt Kapital einsammeln zu können.

Dadurch wird das Grundkapital der Cobank aber dermaßen verwässert, daß die Fähigkeit, später einen vernünftige Dividende zu zahlen, in den Keller rutscht.

Denn auch da gilt: die Cobank macht ja gleich viel Verlust oder Gewinn, egal ob der Kurs bei 3, 6, 10 oder (wie früher mal) bei 30 oder 40 steht. Und egal ob sie 500 Mio, 1 Mrd. oder gar 3 Mrd. Aktien draussen haben.
In der momentanen Situation (1 Mrd. Gewinn, aber massive Verschuldung beim Staat und extrem niedriger Aktienkurs) steht die Commerzbank vor einem echten Dilemma, welches unter anderem im katastrophalen Aktienkurs zu finden ist, der naturgemäß wieder etwas mit der trüben Eigenkapitalsituation der Cobank korrespondiert.

Fazit: hohe Kurse an der Börse sind gut für die Volkswirtschaft, da sich die Unternehmen dann billiger refinanzieren können, was das Preisniveau insgesamt dämpft.
Denn selbstverständlich werden insbesondere die Kapitalkosten in die Preise einkalkuliert, da diese ja mindestens 'verdient' werden müssen.
Manche sagen, die Regierung sei unfähig. Das stimmt nicht. Die sind zu allem fähig!
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Beitrag 05.04.2011, 22:10

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Des Pudels Kern ist doch, dass der globale Finanzmarkt weit mehr Geld generiert, als das diesem Sektor überhaupt wirklich reale Werte gegenüberstehen, die diese immensen Summen rechtfertigen könnten.

Es gibt kein Angebot- und auch kein Nachfrage-Einklang, sondern ein starkes einseitiges Übergewicht.
Da der Finanzsektor aber global vernetzt ist und zwar unüberschaubar miteinander vernetzt würde ein Crash des Systems nicht nur die Aktienbesitzer tangieren (wie man vom Aktienmodell ja vermuten könnte, denn nur die Aktionäre profitieren ja auch davon unmittelbar), sondern nun sogar ganze Staaten und damit unmittelbar deren Bürger.

Deshalb MUSS künstliches Wachstum generiert werden um jeden Preis. Käme es zu einer Stagnation oder auch zu einer Stagflation, es wäre das Ende von Staaten, die das Geld billig machen, um Wachstum zu generieren. In erster Linie sind das die USA, Europa wäre aber nicht fein raus, sondern eher ebenfalls unmittelbar betroffen.

Zur Rettung dieses kranken Systems (krank, weil nur sehr wenige Leute maximalen Profit haben, bzw. weil es auf reinem Pump existiert) werden Milliarden an Steuergeldern über Nacht hineingepumpt und es müssen dauerhafte Rettungsschirme installiert werden, damit das System -krank wie es ja ist!- überhaupt am Tropf gehalten werden kann. Von sich aus wäre es längst am Ende und nach der Logik des DAX müsste es längst durch ein neues verbessertes Währungs- und Finanzsystem ersetzt worden sein, da es längst ineffizient, schwerfällig und unsozial geworden ist.
Nichts hasst der im Denken geschulte mehr als die Negation der Logik.
Eine Unze bleibt eine Unze bleibt eine Unze! Mittler zwischen Hirn und H�nden muss das Herz sein!

Beitrag 05.04.2011, 22:21

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TimmThaler
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Unabhängig vom Aktienmarkt, wo jede Aktie, die 'draußen' ist, also sich nicht im Besitz der AG selber befindet, einen Anteil (Bruchteil) an der Unternehmung verbrieft, also Besitzurkunde ist, gibt es den, da gebe ich dem Vorredner vollkommen Recht, inzwischen gigantisch aufgeblähten, Markt der derivaten und hybriden Finanzinstrumente in einer aufgeblähten weltweit vernetzten Finanzindustrie.

Diese Finanzinstrumente wären solange ungefährlich, so lange sie 'gedeckt' sind, also solange einer Kaufoption eine (gesperrte) Aktien in Depot des Optionsstillhalters entspricht. Denn dann ist egal, ob die Aktie bei Ausübung 10 oder 1000 kostet, sie wechselt nur den Besitzer.

Sind jedoch Finanzinstrument und zugrunde liegender Vermögenswert entkoppelt, dann wird es kritisch bis hochgefährlich.

Beispiel Porsche: Man hat dort mit cash-gesettelten Optionen 75,4% des Grundkapitals der VW AG quasi 'gebunden'. Diese Optionen waren 'naked', ihnen waren also eben genau keine VW-Aktien in Sperrrdepots hinterlegt.
Zwar hatte die ein oder andere Bank natürlich, um ihre Risiken zu begrenzen, VW-Aktien gebunden, z.B. ihrerseits durch gedeckte Optionen oder sogar Futures, aber das ganze war unreguliert und unkontrolliert (unter anderem damit Porsche seine Übernahmepläne möglichst lange geheim halten konnte, und später lange geheim halten konnte, ob sie Kontrollmehrheiten beherrschen würden).

Das Ganze endete in der allergrößten Katastrophe, denn es passierte nun Folgendes:

Porsche kaufte heimlich immer mehr Optionen, mit Basispreisen zwischen 100 und 220.

Der VW-Kurs kletterte, da das Angebot immer knapper wurde, von 54 über 100 und 150 bis nahe 200, und dann bis 220, denn Porsche kaufte ja beständig VW-Optionen und zum Teil auch die Aktie selbst.
Spekulanten, die merkten bzw. sich ausrechnen konnten, daß ein VW-Kurs von 220 und höher weit überzogen war, begannen, wieder 'naked', also ohne Aktien auf Sperrdepots zu halten (dann wäre das Geschäft ja auch ökonomisch sinnfrei), das Papier leerzuverkaufen, in dem sie es sich woanders, u.a. bei großen Banken, liehen.
Nun stieg der VW-Kurs, da zunehmend eine Finanz- und Wirtschaftskrise mit u.a. fallenden Aktienkursen der übrigen Unternehmen begann, im Herbst 2008 plötzlich um 30 oder gar 70% an einem Tag bis 400 oder 450.
Die Gründe sind rein technischer Natur, haben sich also vom Wert des Unternehmens VW völlig losgelöst.
Dann sackte der Kurs, ebenso plötzlich, wieder von 450 auf unter 200.
Auch dies hatte technische Gründe.
Nun gab Porsche bekannt, in einer Mitteilung, die an Zynismus wohl kaum noch zu überbieten war, man habe 75,4% der VW-Stammaktien mittels Optionen gesichert, und wolle dies nun dem Markt mitteilen, um den Leerverkäufern eine schonende Eindeckung ihrer Positionen zu ermöglichen.
Diese Mitteilung sorgen nun, ähnlich einer Ladung Dynamit, für vollkommene Panik unter den Leerverkäufern, denn da das Land Niedersachnse 20,1% bei VW fest hielt, war klar, daß Porsche für über 94% der frei zirkulierenden VW-Aktien Optionen besaß, die Leerverkäufer also schlicht 'strangulieren' konnte, da mehr Aktien (mehr als 6%) leerverkauft waren als überhaupt am Markt noch frei verfügbar.
Denn sobald Porsche seine Optionen einlöste und vom Gegenwert VW-Aktien kaufte, waren diese weg vom Markt, und Verkäufer waren in diesem Fall die Banken, die die Wertpapierleihe beendeten (eine Leihe kann man jederzeit beenden) um damit die Leerverkäufer zu Zwangskäufen zu zwingen zu den explodierten Preisen von bis zu 1.005 Euro.

Im DAX führte dies nun wiederum dazu, daß zwangsweise alle anderen 29 DAX-Titel von den Investoren zwangsverkauft wurden, um genügend Geld zu beschaffen, um die VW-Aktien zu den dadurch umgekehrt extrem überhöhten Preisen kaufen zu können.
Daimler stürzte also auf unter 20, während für eine eigentlich maximal 2,56 mal so teure VW-Aktien 1.000 bezahlt wurden.
Zeitweise war VW die teuerste Aktie der Welt, mehr wert als Toyota, Daimler, BMW und Porsche zusammengenommen, denn auch die Porscheaktie stürzte im freien Fall. Bei so extrem hohen VW-Kursen war ja jede eingelöste Option ein gigantischer Gewinn, der zu versteuern war, aber für Porsche ja in der Kasse neutral, da sie in der nächsten Sekunde dafür die vollkommen überhöhten VW-Aktienpreise bezahlen mußten.
Porsche machte auf dem Papier Milliardengewinne, in der Kasse klafften dagegen Milliardenlöcher.

Das Ende vom Lied: eine hoffnungslos überschuldete Porsche, die zwar nun die Mehrheit bei VW besaß, aber so konkursreif dastand, daß man sich von VW einen Notkredit über 700 Mio. gewähren lassen mußte, um nicht in die sofortige Insolvenz zu rutschen.

Letztlich übernahm dann VW Porsche, der Spieß wurde umgedreht.

Hier sieht man, wie ein kerngesundes Unternehmen namens Porsche, das der profitabelste Autohersteller der Welt war, 1 Mrd. Gewinn/Jahr, mit derivaten und hybriden Finanzinstrumenten binnen weniger Monate, durch ein paar strategische Fehler und eine ungünstige Entwicklung an den Kapitalmärkten, an denen eine mächtige und geldgierige Gegenseite ebenfalls derivate und hybride Finanzinstrumente in die Hand nahm, um sich mit Porsche ein finanzielles Duell zu liefern, an den Rand der Insolvenz geriet, und zwar in dem sie auf der einen Seite mit den VW-Optionen mehr Gewinn als Umsatz machten, dieser Gewinn sich aber liquiditätsmäßig in Form eines riesigen Loches auswirkte, da die Optionen cash-gesettelt waren, also 'naked'.

Es wäre daher zu überlegen, die Anwendung solcher derivater bzw. hybrider Finanzinstrumente

a) zu regulieren
b) transparent zu machen, also eine Publizitätspflicht einzuführen
c) zu limitieren (maximal 1 Derivat auf 1 Basisinstrument)
d) aneinander zu binden (Verkäufer Derivat=Eigentümer Basiswert, Sperrdepots oder ähnliche Form der gekoppelten Verbriefung, Verbot bzw. strenge Regulierung der 'naked'-Geschäfte)

Das wäre auch für Gold und Silber super, denn auch da gibt es ungedeckte Leerverkäufe, über die man gerade noch reden kann, wenn es Hersteller sind, die die Produktion schon 'so gut wie' abgeschlossen haben, also z.B. über die entsprechende Menge Rohmaterial verfügen, oder bei Händlern, die ihre Bestände hedgen müssen. Das wären dann ja 'quasi gedeckte' Geschäfte.
Der Kassahandel (Londoner Markt) kann auch wie gehabt weitergehen, nur eben über die Terminmärkte müßte man reden.

Solange alles so unreguliert weiterläuft wie bisher, ist das System weiterhin auf Kollisionskurs mit der Realwirtschaft, sobald es ungünstige Konstellationen gibt oder unerwartete Ereignisse.

Ein derivate-getriebener Finanzmarkt-Tsunami würde viel mehr Tote kosten als der reale Tsunami in Japan oder vor ein paar Jahren in Südostasien.

Regulierung täte also schon Not.

Solange alles unreguliert so weiterläuft, ist es sehr klug, mit Gold und Silberreserven zu Hause etwas vorgesorgt zu haben. Denn wenn es knallt, dann knallt es das nächste Mal richtig. 2008 war der letzte Warnschuss, da war es 5 vor 12.
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Beitrag 05.04.2011, 23:14

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TimmThaler
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999.9 hat geschrieben:Des Pudels Kern ist doch, dass der globale Finanzmarkt weit mehr Geld generiert, als das diesem Sektor überhaupt wirklich reale Werte gegenüberstehen, die diese immensen Summen rechtfertigen könnten
Wieder Porsche als Beispiel:

Sogenanntes 'Geld' ist ja in unserem System immer (zwingend) Schuldgeld, 1000 Euro steht also 1000 Euro Schulden irgendwoanders auf der Welt gegenüber. Die Summe ist Null.

Nehmen wir mal Porsche:

Porsche ist Inhaber einer Option auf VW zu 220, diese haben sie zu 50 von einer Bank 'X-Bank' gekauft.

Herr M. ist Leerverkäufer einer VW-Aktie zu 220, diese hat er sich von der Bank geliehen und mußte dafür 110 Euro Pfand und eine Leihgebühr von sagen wir mal 1 Euro bei der Bank abliefern:

Bank: 111 Guthaben aus Geschäft mit M., 50 Guthaben aus Geschäft mit P, also 161 Euro in der Kasse.
Herr M: Momentan liegt er mit 1 Euro Leihgebühr 'hinten', sein Kontostand also -1+110='+109'
Porsche: besitzt eine VW-Option, Zeitwert momentan: 50 Euro, Kassenstand: '-50'

VW steigt auf 500:

Bank: verlangt Nachbesicherung von M, 280 Euro sind nachzuliefern, Kontostand Bank (161+280)='441'
Herr M: +109-280= '-171' Kontostand
Porsche: besitzt Option im Wert von 290 (Zeitwert: 10 Euro), Kassenstand: '-50'

Die 'Geldmenge' (saldierte Guthaben) hat sich von ursprünglich 270 auf 510 'aufgebläht'

VW steigt auf Tausend:

Bank: verlangt Nachbesicherung von M, weitere 500 sind nachzuliefern. Kontostand Bank (441+500)='941'
Herr M: schwitzt, Konto bereits '-671'
Porsche: besitzt Option im Wert von 779 (Zeitwert: 1 Euro), Kassenstand: '-50'

Die 'Geldmenge' (saldierte Guthaben) hat sich von ursprünglich 270 auf nun schon 999 'aufgebläht'


Nun übt Porsche seine Option aus, erwirbt die Aktie, die die Bank bei M. kündigt, der zurückkaufen muß.

Das Ende vom Lied:
Bank: behält Optionsprämie (50) sowie die 1 Euro Leihgebühr, Kontostand (Gewinn) abschließend 51 Euro
Herr M: muß VW zu 1000 zurückkaufen und an die Bank zurückreichen, Verlust für ihn: 781 Euro
Porsche: löst Option ein, erhält dafür 780 von der Bank (die diese von M. erhielt). Dieser Gewinn von 780 abzüglich der Optionsprämie 50 also 730 ist von Porsche zu versteuern.
Parallel erwirbt Porsche nun VW zu 1000, eigener Aufwand ist dafür 280 zzgl. Steuern, also bei 5% von 730 sind 316,5 Euro aufzuwenden (Minus in der Kasse), Gegenwert ist 1 VW-Aktie.

Nun an 'Geld' noch netto im System: Schulden von über 400 Euro! Die Glattstellungsgeschäfte zu 1000 führen also nicht etwas zur 'ursprünglichen' Geldmenge 270 zurück, sondern es wurde richtig Geld 'verbrannt', das auch systematisch (für die Beteiligten) 'weg' ist, also z.B. bei der Bank von Herrn M, oder der von P., in Form von dezimiertem Guthaben oder erhöhten Schulden.

Wer gewinnt, wer verliert?

Der Staat sieht nicht gut aus, denn er erhält, ohne daß realwirtschaftlich etwas geschah, 36,50 Steuern von P. und von der Bank auch noch mal einiges, während M. seine Spekulationsverluste von immerhin 781 bei der Steuer geltend machen könnte. Ein Minusgeschäft also voraussichtlich für den Staat.
Die Bank: sieht ganz gut aus, 51 vor Steuern für 2 Dienstleistungen ohne Einsatz eigenen Kapitals.
Herr M: der größte Verlierer im Spiel, Minus 781, ein Verlust fast 4 mal so hoch wie der ursprüngliche Kurswert der Aktie. (Hinweis: im normalen Handel, ohne Leerverkauf, wäre der Verlust maximal bei 220 (=100%) gelandet, nämlich im Szenario Kauf der Aktie und nachfolgend Pleite von VW)
Porsche: besitzen nun zwar eine VW-Aktie, da diese aber für brutto 316,50 erworben wurde bei einem Buchwert (Liquidationswert) von ca. 110, liegen auch Porsche rein materiell etwa 216 Euro 'hinten'. Diese 216 mußte sich Porsche übrigens bei der eigenen Bank leihen, gegen Verpfändung der VW-Aktie, nur so als Nebenbemerkung.

Nun gibt es ja noch den Verkäufer der VW-Aktie zu 1.000, mag man einwenden. Der 'unbekannte Vierte' mußte doch nun steinreich von dannen ziehen? Aber Vorsicht: dieser Verkäufer ist ja M. selbst (gewesen) und er erlöste nur 220. Rein wirtschaftlich hat er völlig überteuert seinen eigenen (geliehenen) Vermögensgegenstand zurückgekauft und der Bank zurückgegeben, die ihn vorher schon an VW veroptioniert hatte, also der Kursanstieg nützte der Bank auch nichts (mehr).

Wir haben also einen irrwitzigen Aktienkurs von 1000, unter den direkt Beteiligten gibt es aber niemanden, der nur annähernd mit 1000 vom Feld geht. Nur einer hat fast 1000 Verluste!

Das war 'in der Nusschale' ein kleiner Exkurs in eine riesige Blase (die 'VW-Blase 2008', auch als ' VW dausend' bekannt geworden), und wie sie sich brutto und dann netto bei den unmittelbar Beteiligten auswirkt.
Manche sagen, die Regierung sei unfähig. Das stimmt nicht. Die sind zu allem fähig!
*
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Beitrag 06.04.2011, 04:34

Fin
Was für eine großartige Abhandlung. Ich wollte schon immer diesen Fall besser verstanden haben.
Dennoch hänge ich an einer Stelle.
Porsche hätte es doch genügen können eine Mehrheit an VW zu halten. Du schreibst "Kassenneutral", doch das gilt nur, wenn Porsche die gesamten VW Aktie halten wollte. Porsche hätte aber in höheren 3stelligen Bereichen VW Aktien (von mir aus über gegen cash eingelöste Optionen) an den Markt geben können, oder nicht?

Ich muß zugeben, daß ich damals diesen Zug von Wendelin Wiedeking schier klasse fand. Denn er zeigte uns die Schwächen des Systems, die er na klar ausnutzen wollte. Ich habe bis heute meine Zweifel an der Geschichte, daß Porsche sich übernommen hatte. Ich glaube viel mehr, daß Piech (ohne die Familie hätte WW das niemals durchziehen können) einen Verrat beging um seine eigene VW Suppe zu kochen.
Wenn WW jemals seine Memoiren schreiben würde...

Doch zurück zur Frage:
Wenn Porsche einen Teil seiner VW Aktien an den Markt zu guten Preisen retour gegeben hätte, wäre das nicht Lösung zum Überschuldungsproblem gewesen?

Denn für mich war das ein Politikum. Da wurden ja viele KALT erwischt. VW war ja auf einmal sowas wie 50% vom Dax. Alles stürzte ein - nur VW bei 1000. Seitdem ist ja eine Obergrenze einer einzelnen Aktie im Index eingeführt. WW führte uns ja alle in die Irre und zeigte damit eindeutig die Schwächen des Systems auf. VW kann übernommen werden, obwohl 20% der Aktien außer Reichweite sind und dafür braucht es keinen Toyota.

Beitrag 06.04.2011, 05:31

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@ TimmThaler (und natürlich alle anderen)
Als erstes mal vielen Dank für Deine ausführlichen, fundierten Antworten. Die "Aufarbeitung" des Porsche/VW Geschehens: 1a!

... aaaaaber smilie_16

Zum einen führt dieses (reale) "Beispiel" natürlich recht weit weg vom (modellhaften) Threadthema - aber versuchen wir mal beide Fäden in der Hand zu behalten.
Zum anderen möchte ich einen zentralen Punkt herausgreifen:
Du argumentierst stringent und schlüssig und zeigst, dass die Börsenkurse sehr wohl in enger Verbindung mit der Realwirtschaft stehen, weil sie die Rahmenbedingungen für die Refinanzierung - oder sagen wir einfacher: für notwendige Kreditaufnahmen - der AGs in hohem Maße bestimmen.
Richtig - nur dass das genau meine Thesen unterstützt! Der Aktienkurs, der eben NICHT auf den realen Daten der Firma basiert (zumindest KANN er durch die mögliche Spekulation völlig von der Realität abgekoppelt werden (wir erinnern uns an die "New Economy")), bestimmt unter Umständen über Gedeih und Verderb der realen Firma - UNABHÄNGIG von deren tatsächlicher Lage.
... wenn das nicht "bedenklich" ist.

Andeutungsweise hatte ich bereits gesagt, dass mir schon klar ist, dass die beiden Dinge (Realwirtschaft / Finanzmarkt) natürlich miteinander verquickt sind. Ich habe das (abgesehen vom Geldstrom) im "Modell" beiseite gelassen, damit wir uns nicht verzetteln. Als Argument für die "Realität" des Finanzmarktes (im Sinne der obigen Grafik von B.Senf Aktien- und andere Märkte umfassend) taugt es aber nicht darauf hinzuweisen (und es auch zu belegen), dass Bewegungen im "Finanzsektor" ihren Widerhall in der Realwirtschaft finden. Vielmehr unterstreicht es die gefährlichen Einflussmöglichkeiten eines losgelösten Bereiches, dessen ungeheures Volumen die Realwirtschaft schlicht bedroht.

Unbeantwortet ist nach wie vor die Frage, ob der "Finanzsektor" bewusst (sagen wir mal seit den 80ern, als begonnen wurde, die Schranken für die internationalen Kapitalströme konsequent abzubauen) als "Schwamm" (sorry, Spongebob) für die sich ausweitende Geldmenge aufgebaut wurde.
Jeder, der das Geldsystem durchschaute, musste wissen, dass die "Kurve" exponentiell ist. Der Finanzsektor musste doch wie ein Geschenk des Himmels wirken! DORTHIN konnte das ganze Geld, das aufgrund des Zinseszinsmechansimus zwangsläufig entstehen würde, "ausgelagert" werden (so eine Art Asse II für FIAT-Money ... und ähnlich gefährlich).
Das wäre dann so ein wenig die "Zauberlehrlingssituation" ... die man rief die Geister, wird man nun nicht los.
Höflichkeit ist keine Schwäche - Empathie ist keine Dummheit - Moral ist nicht moralinsauer

Beitrag 06.04.2011, 09:03

Fin
Vielleicht habe ich zuviel Goldverschwörung und Silberkomplott gelesen. Da wird auch ein böser Plan eines unbekannten Dritten unterstellt. Können das nicht ganz natürliche Entwicklungen gewesen sein?
Wer durchschaut denn das Geldsystem (vollständig)? Unsere gelernten Beamten und Juristen die wir als Politiker haben und unsere Elite nennen?
Nehme ich diese bösen Derivate(schwämme). Hätte ich sie am Anfang als etwas Böses erkannt? Nein. Ich hätte gesagt "Super Idee" und der Banker der die Idee hatte, wäre Angestellter des Monats geworden. Aber Dinge sind völlig ausgeufert und man vergaß (absichtlich?) zu regulieren.
Ich will gar nicht abreden, daß Politiker falsch beraten wurden oder da nicht rangehen wollten. Auf der anderen Seite ihre Staatsschulden reduzieren sie ja auch nicht.
Aber Fakt ist, es gab und gibt einen Markt für Derivate und andere wertlose Anlagen.

Ich bin nicht bewandert mit der Zinseszinstheorie a la Senf. Aber Ersparnisse gab es schon immer. Und schon immer mußten die irgendwie angelegt werden. Ich denke, das Regulativ waren die Preise der Anlagen - Häuser, Land, Gold etc. wurden entsprechend teurer bzw in Krisenzeiten auch billiger. Aber Manien (also hier: wertlose Schwämme) gab es auch immer mal wieder.

Vieles ist doch gar nicht da und wir wissen das.
Bernie Madoff hat sich mit Kundengeldern ein schönes Leben gemacht. Wir wußten das nicht, aber als wir es wußten, hat er 100plus Jahre Knast bekommen.
Der Staat verschuldet sich. Zu abstrakt? Politiker verschulden ihr Land und verkaspern die Bürge(r)n. Das regt keinen auf. Da haftet auch keiner. Gerade jetzt läßt die Combank verlauten, daß sie die Schulden beim Staat bezahlen will, deren Zinsen sie von Anfang an nicht zahlen konnte! Und sperren wir den Steinbrück ein? Oder den Blessing? Warum eigentlich nicht?
Vielleicht weil die, die regulieren könnten und sollten, selber nicht regulierbar sind? Denn sie haften ja nicht.

Und zu Deiner Frage:
Unbeantwortet ist nach wie vor die Frage, ob der "Finanzsektor" bewusst (sagen wir mal seit den 80ern, als begonnen wurde, die Schranken für die internationalen Kapitalströme konsequent abzubauen) als "Schwamm" für die sich ausweitende Geldmenge aufgebaut wurde.
Jeder, der das Geldsystem durchschaute, musste wissen, dass die "Kurve" exponentiell ist. Der Finanzsektor musste doch wie ein Geschenk des Himmels wirken! DORTHIN konnte das ganze Geld, das aufgrund des Zinseszinsmechansimus zwangsläufig entstehen würde, "ausgelagert" werden (so eine Art Asse II für FIAT-Money ... und ähnlich gefährlich).
Das wäre dann so ein wenig die "Zauberlehrlingssituation" ... die man rief die Geister, wird man nun nicht los.
In der Zeit lebten wir die Ideen des J.M. Keynes. Vielleicht sahen manche deswegen tatsächlich keine Probleme kommen. Aber mir erscheint das Zurückschauen zu billig. Greenspan hat sicher Fehler gemacht, aber es hat ihn auch keiner daran gehindert oder hindern können.
Eigentlich ist es immer dasselbe. Probleme von heute faßt keiner an und morgen sagen wir dann, daß die Schuld sind, die gestern dran waren - fertig. Das ist Dein wahrer Schwamm!

Beitrag 06.04.2011, 09:45

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@ Fin
Abgesehen davon, dass rein technisch/formal gesehen die 80er durch eine Abkehr vom klassischen Keynesianismus hin zum sog. "Neoliberalismus" (nur den Markt in Ruhe lassen, privatisieren, deregulieren, globalisieren - dann wird alles gut) gekennzeichnet sind, hast Du recht.
Aber dass wir beide um Begriffe ringen ist ja nichts neues ... smilie_16

Und Du beantwortest die Frage ob die Entwicklung "gewollt" war! Danke.

Wer mich ein bisserl kennt, hat sicher schon bemerkt, dass es auch nicht unbedingt meine (wirkliche, private) Meinung ist, dass geheimnisvolle Alleswisser diese Dinge im voraus planen. Aber ich glaube, dass solche Entwicklungen wahrgenommen und dann "aufgegriffen" und für die eigenen Zwecke "instrumentalisiert" werden - dazu bedarf es keiner Verschwörung!
Höflichkeit ist keine Schwäche - Empathie ist keine Dummheit - Moral ist nicht moralinsauer

Beitrag 06.04.2011, 20:47

Fin
Ladon hat geschrieben:Mich hat folgende Frage mal beschäftigt: Warum ist ein steigender "DAX" (jetzt mal stellvertretend für einen beliebigen Index) eigentlich gut?

Eigentlich sind die einfachen Fragen oft die besten.
Ich will da nochmal ran.
In einer "guten" Hausse, verdienen die Unternehmen immer mehr, weswegen sie bei (angenommenen) konstanten Zinssätzen relativ immer günstiger werden (KGV fällt), das wird über den Preis ausgeglichen - also steigt der Aktienpreis und KGV bleibt konstant.
In einer "schlechten" Hausse, senken ZB die Zinsen, was das alternative Einkommen (Dividende) interessanter macht. Hier wird also manipuliert. Hinzu kommt in diesem Fall das Ausschütten von Geld.

Die Angelsachsen investen viel mehr als Deutsche in Aktien. Ich glaube 50% des Dax gehört US-Amerikanern. Fallende Kurse nehmen die persönlich. Deswegen dürfen in USA Aktien nicht fallen. Für die Deutschen spielt das keine große Geige. Die kaufen bei ALDI immer die gleiche Menge. Aber US-Amis kaufen auf einmal keine BMWs mehr, weil sie sich arm fühlen.
Deswegen ist ja auch in Amiland nun die Krise hinter uns. Und die Aktien werden hoch-inflationiert.
Mas stelle sich vor, der vor kurzem totgesagte Euro steht bei 1,4336 USD....

Beitrag 07.04.2011, 15:53

nameschonweg
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Fin hat geschrieben:Mas stelle sich vor, der vor kurzem totgesagte Euro steht bei 1,4336 USD....
Oder es ist schlicht relative Stärke gegenüber einem noch toteren Dollar :)

Beitrag 08.04.2011, 08:56

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Ladon
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Nachdem wir in diesem Thread - meiner Ansicht nach - recht interessante Fragen aufgeworfen, zum Teil auch beantwortet und diskutiert haben, versuche ich mal eine kleine Zusammenfassung (auch weil das Thema recht komplex ist und praktisch umgehend eine ganze Reihe "Nebenfragen" aufwarf).
Das haben wir bislang "zusammengetragen" (reine Stichpunktliste, möglichst wertungsfrei)

1. Der Finanzmarkt-Sektor (unterscheidungslos) IST fraglos ein Bassin in das ungeheure Menge an Geld gelangen können.
2. Ob bewusst als Mittel zum "Aufsaugen" des in der Realwirtschaft "überflüssigen" Geldes oder im Nachhinein "instrumentalisiert", ließ sich bislang nicht entscheiden.
3. Aufgrund der - unter praktischen Gesichtspunkten - nahezu "unendlichen" Erweiterbarkeit dieses Sektor (im Gegensatz zur Realwirtschaft) ermöglicht dieser Mechanismus daher Geldmengenausweitung in bislang ungekanntem Ausmaß ohne "galoppierende" Inflation.
4. Allerdings gibt es eben doch "indirekte" oder "Rückkopplungs"-Effekte zur Realwirtschaft: Der sekundäre Aktienhandel z.B. (also jede Transaktion nach Neuemission / Kapitalerhöhung) hat zwar nichts mehr mit der Firma an sich zu tun - die (möglicherweise durchaus spekulativen) Kurse bestimmen aber sozusagen die Finanzierungs-Konditionen für die Firma.
5. Der DAX (stellvertretend für diese Art Indizes) ist ein durch "Selektion" geschaffener Pool - seine Aussagekraft ist daher zweifelhaft.
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Beitrag 08.04.2011, 09:04

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999.9
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Sehr gute Verdichtung! smilie_01

Die gezielte Auslagerung von "giftigen Papieren", Stichwort "bad banks" könnte ein weiterer Denkanstoß sein.

Man schiebt einfach die de facto insolventen Institute in einem seltsamen Konstrukt beiseite und sie sind aus dem Geldkreislauf (vorübergehend?) entfernt. Eine geniale Idee, doch: Kommt der Boomerang irgendwann mal vielleicht zurück?! smilie_08
Nichts hasst der im Denken geschulte mehr als die Negation der Logik.
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Beitrag 08.04.2011, 10:27

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Ladon
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999.9 hat geschrieben:... Kommt der Boomerang irgendwann mal vielleicht zurück?!
Ziemlich sicher - denn derart komplexe, vernetzte System, alt zumal und sozusagen von Eigendynamik beseelt und "selbsterhaltend (weil sich solche System ja ihre "Eliten" selber selektieren), lassen sich, wie man ja leicht sieht, nicht wirklich steuern.
Es wird nach meinem Dafürhalten - und so, wie es in der Vergangenheit schon öfters gechah - versucht, die Dinge irgendwie zu "managen". Ich benutze schon lange (schon vor Fukushima) das Bild vom "kontrollierten Meltdown" statt der "Explosion".
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Beitrag 08.04.2011, 11:25

nameschonweg
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Ich glaube nicht, dass die Bad Banks irgendwie zum Boomerang werden. Um bei Deinem Beispiel vom "mit sich selbst spielenden Finanzmarkt" zu bleiben - die Bad Banks sind ein guter Weg, um überflüssige Liquidität auf diesem Wege sang- und klanglos abzubauen. Sozusagen die "Entsorgungskomponente" für fehlgeleitete Experimente":)

Beitrag 08.04.2011, 11:51

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nameschonweg hat geschrieben:Ich glaube nicht, dass die Bad Banks irgendwie zum Boomerang werden. Um bei Deinem Beispiel vom "mit sich selbst spielenden Finanzmarkt" zu bleiben - die Bad Banks sind ein guter Weg, um überflüssige Liquidität auf diesem Wege sang- und klanglos abzubauen. Sozusagen die "Entsorgungskomponente" für fehlgeleitete Experimente":)
Ich glaube es ging mehr um das gesamte "Überlaufbecken" Finanzmarkt.
Es gibt da - meines Wissens - kein "Rückschlagventil", das ein Einströmen der dortigen Gelder in die Realwirtschaft verhindern könnte, wenn es "dem Geld" sinnvoll erscheint.
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