Erweiterte Fragestellung zu John Law

Edelmetall-Themen, neue Bullion- und Sammlermünzen, historische Hintergründe, Fachwissen

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Beitrag 22.06.2012, 07:55

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Ladon
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John Law! Allein die Nennung des Namens verursacht dem Kreditgeld-Kritiker Magenschmerzen. Gilt er doch als der Beweis für die Impotenz von Papiergeld und dem zwangsläufigen Scheitern desselben. Manchmal wird er sogar (fälschlich; siehe u.a. hier: https://forum.gold.de/geld-spielt-keine ... html#83976 ) als "Erfinder" des europäischen Papiergeldes genannt. Aber ganz egal, wie man das sieht - als "bloße" Spekulationsblase, als "typisches" Kreditgeldexperiment - und egal wie man dazu steht, das ist immer nur die normale Fragestellung zu dem Thema.
Letzthin bin ich aber auf eine Randbemerkung dazu gestoßen, die ich euch nicht vorenthalten will und die (zumindest für mich) gänzlich neue "Fragen" gestellt hat. Eigentlich ging es bei der Literatur, die ich gewälzt hatte überhaupt nicht um Geldschöpfungsmechanismen im Allgemeinen und "Papiergeld" im Besonderen. Ich hatte mich mit den globalen Edelmetallströmen im Zeitraum so von 1520 bis 1720 beschäftigt. Und zwar vor allem mal aus Sicht von Spanieren/Portugiesen und Franzosen (auch das ist mal grundsätzlich interessant, wenn man die Dinge nicht aus deutscher oder englischer Sicht angeht (was schon wegen der Sprachbarriere meist geschieht)). Am Ende dieses Zeitraums steht Laws Geldexperiment in Frankreich. Darauf wurde weiter gar nicht groß eingegangen (es ging ja um Edelmetallströme), lediglich der Hinweis darauf, dass es nicht die einzige Spekulationsblase jener Zeit gewesen sei ... und folgende, wie ich finde einigermaßen verstörende, Fragen:

Law trat an mit dem Ziel den Staat zu entschulden. So weit, so bekannt. Das schürt ja noch den Widerwillen gegen die Sache: Der böse Staat entschuldet sich, indem er seine Bürger über's Ohr haut. Die für mich überraschende Erweiterung lag darin, dass Laws Geld aber nicht nur zu einer (vorüber gehenden - unten dazu gleich noch ein paar Sätze mehr) Entschuldung des Staates führte, sondern offenbar auch zu einem signifikanten Rückgang privater Schulden. "Der große Entschulder" - so hat man das zeitgenössisch gesehen. Die im Crash dann entstandenen Verluste waren schon systemimmanent ... und damit für Besitzer bereits vorher bestehender großer Vermögen meist nicht bedrohlich!

Und das führt direkt zu einer weiteren Frage, die ob ihrer Konsequenzen nachdenklich stimmt Wer musste vor Laws System wirklich Angst haben? Wessen Pfründe wurden wirklich damit angegriffen? Wer musste im Erfolgsfalle nachhaltig mit dem Verlust von Vermögen (nicht Geld!), Macht und Einfluss rechnen? Die Antwort liegt auf der Hand und wird doch fast nie gegeben: Die großen europäischen Geldgeber. Die klassischen Financiers, Bankiers und Handelsherren. Ihr Würgegriff um den Hals des französischen Königs wurde gelockert (denken wir daran: das ist die Zeit, wo man auf Rentenbasis Steuereintreibungen "erwerben" konnte wenn der König schnell Geld brauchte usw.) und (siehe oben) wohl auch ihr Einfluss im Bereich der kleinen Privatwirtschaft (auch die Schuldenquote der Privaten, bzw. des kleineren Gewerbes ging ja zurück).
Was wiederum zur nächsten Frage führt: Wer profitierte vom Scheitern Laws? Wieder genau diese Kreditgeber! Die noch dazu über die notwendigen Mittel verfügten, um die "Blase" anzuheizen.
... und siehe da! Schon bald nach dieser Episode ist der französische König wieder bei "den üblichen Verdächtigen" tief in der Kreide.
... und in der Folge wird diese Papiergeldsache von der Wirtschaft förmlich "aufgesaugt" (Entwicklung des Noten-/Zentralbankwesens; private (!) Banken) auf dass man zukünftig selbst davon profitieren könne.


Das hier soll keinesfalls zu einer Neubewertung des Lawschen Handelns führen oder irgendeine Wertung von Geldsystemen darstellen. Aber die Überlegungen, die sich aus diesen Fragestellungen ergeben, zeigen schon, dass Laws Experiment eben nicht nur ein Besipiel für die Mechanismen des Kredit geschöpften Papiergeldes ist, sondern auch dafür, wie sich die großen Geldmächte verhalten und sich des greifbaren Instrumentariums bedienen und welche Ziele sie verfolgen.
Nicht zuletzt macht diese "Gedankenübung" einer unorthodoxen Fragestellung auch deutlich, dass eine eindimensionale Sichtweise Aspekte eines komplexen Sachverhaltes unberücksichtigt lassen kann.
Höflichkeit ist keine Schwäche - Empathie ist keine Dummheit - Moral ist nicht moralinsauer

Beitrag 23.06.2012, 07:52

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Datenreisender
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Ladon hat geschrieben:(denken wir daran: das ist die Zeit, wo man auf Rentenbasis Steuereintreibungen "erwerben" konnte wenn der König schnell Geld brauchte usw.)
Sind heutige Staatsanleihen ("Rentenpapiere") denn etwas anderes?
Ladon hat geschrieben:Das hier soll keinesfalls zu einer Neubewertung des Lawschen Handelns führen oder irgendeine Wertung von Geldsystemen darstellen. Aber die Überlegungen, die sich aus diesen Fragestellungen ergeben, zeigen schon, dass Laws Experiment eben nicht nur ein Besipiel für die Mechanismen des Kredit geschöpften Papiergeldes ist, sondern auch dafür, wie sich die großen Geldmächte verhalten und sich des greifbaren Instrumentariums bedienen und welche Ziele sie verfolgen.
Vielleicht sollte man die Funktionsweise von Geldsystemen, deren "Nutzniesser" ("Geldmächte") und deren "Opfer", auch mal in ethischen Zusammenhängen betrachten? Die "westliche Welt" ("christliches Abendland") hat sich da in den vergangenen Jahrhunderten ja nicht unbedingt von ihrer besten Seite gezeigt ... die Geschichte um John Law ist da ein herausragendes Beispiel.

Ethik der Geldproduktion
http://de.ibtimes.com/articles/25828/20 ... uktion.htm

Beitrag 23.06.2012, 08:50

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Ladon
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Datenreisender hat geschrieben:
Ladon hat geschrieben:(denken wir daran: das ist die Zeit, wo man auf Rentenbasis Steuereintreibungen "erwerben" konnte wenn der König schnell Geld brauchte usw.)
Sind heutige Staatsanleihen ("Rentenpapiere") denn etwas anderes?
...
Im Grundmuster nicht - in der Ausgestaltung natürlich schon und erheblich. Das kann man als "zeitgenössische Rahmenbedingungen" bezeichnen. Damals lagen die Dinge "offener"; die Nebelmacher sind seit Jahrhunderten unterwegs ...
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Beitrag 24.06.2012, 08:30

frankdieter50
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Jedenfalls war dieser Mann in einigen Dingen seiner Zeit weit voraus. smilie_12
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Beitrag 24.06.2012, 08:55

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Ladon
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frankdieter50 hat geschrieben:Jedenfalls war dieser Mann in einigen Dingen seiner Zeit weit voraus. smilie_12
Gewissermaßen - andererseits auch wieder nicht, denn wirklich "neu" waren die Ideen auch wieder nicht.

Aber, wie gesagt, mich hat nicht Law an sich interessiert (da gibt es so viel drüber, da muss man eigentlich nix mehr sagen), sondern die Perspektive, mal nachzufragen wem da auf die Zehen getreten wurde und ob diese "Kräfte" nicht auch tüchtig für das Aufsehen erregende Scheitern mit gesorgt haben!
Die alte Frage: cui bono?

Und das Scheitern Laws nutzte eindeutig den (damaligen) großen Bankiers und Kreditgebern, denen ihre Pfründe zu entgleiten drohten. Das ist eine Seite an der ganzen Geschichte, an die man ruhig mal einen Gedanken verwenden (nicht verSCHwenden) kann!
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Beitrag 24.06.2012, 18:53

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KROESUS
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Beitrag 27.06.2012, 20:00

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RCM
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Hallo Ladon

interessante Fragestellung zu John Law... Ich bewundere diesen Mann, auch wenn er, was völlig normal ist, durchaus Fehler begangen hat. Im Prinzip stand er allein, hatte niemanden mit dem er seine ins Rollen gekommenen Experimente abstimmen und diskutieren konnte. Auch die halbherzige Gründung einer quasi Staatsbank wurde zu spät eingeleitet und nicht mit voller Konsequenz vorangetrieben... Mangels Wissen über grundlegende Zusammenhänge... Wie gesagt nicht weiter verwunderlich

Allerdings muß man sagen, dass die Finanzierung Frankreichs bzw der französischen Krone durch den strengen Merkantilismus weniger europäisch war, als bei anderen v.a.kleineren Fürstenhäusern Europas. Frankreich exportierte in großem Rahmen alle möglichen Dinge, vor allem aber Luxusgüter, wie Gobellins, Waffen, Seidenstickereien, hergestellt in königlichen Manufaktoren. Obendrein hatte es damals bereits mit etwa 20 Mill. Einwohnern und wenigen Zerstörungen in den vielen und langen Kriegen, einer sehr guten Außenpolitik und nicht unerheblichen Erfolgen durch Einverleibung neuer Landstriche beste Voraussetzungen ein reicher Staat zu sein.
Leider beginnt jetzt gleich Fußball, vielleicht soviel noch: Die Nutznießer des Scheiterns von Law saßen also eher im eigenen Land und sind im Adel zu suchen. Dieser hatte wenig Lust in Wirtschaft zu investieren, war korrupt und steckte sich einen guten Teil der Steuern in die eigene Tasche. Durch die Lawschen Aktionen u.a. mit der Mississippi Aktie kamen aber auch Bürgerliche zu Geld, ja Diener und arme Schlucker. Du erwähntest es bereits, die sozialen Schranken wankten kurz...Eine nicht zu unterschätzende Gefahr für die feudale Klasse.
Letztendlich scheiterte das Experiment aber aus meiner Überzeugung v.a. an der Gier der Menschen aller Klassen angefangen beim König, aber auch von John Law, an handwerklichen Fehlern und dem noch fehlenden Wissen zu komplexen Zusammenhängen von Produktivität und Geldmenge...
Witzigerweise wurde dann auch im weiteren Verlauf des 18.Jhd. Schulden des französischen Staates , also des Königs, ähnlich wie im neuzeitlichen Griechenland einfach gestrichen. So hielt man sich damals schon schadlos, von Joseph Marie Terray einem späteren Finanzminister stammte der Spruch: Ein Staat muß sich alle 100 Jahre durch einen formellen Bankrott entschulden :D Staatsanleihen zu halten oder Staatsgläubiger zu sein waren/war schon immer ein heißes Ding smilie_02
In der Monarchie sowieso. Ließen doch Könige, waren sie knapp bei Kasse Gläubiger auch gern über die Klinge springen, oft mit falschen Anschuldigungen, Enteignungen usw.


Viele Grüße
RCM
Nichts ist schwerer und erfordert mehr Charakter, als sich in offenem Gegensatz zu seiner Zeit zu befinden und zu sagen: Nein!
Kurt Tucholsky

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