Wo beginnt aktiver Widerstand nach § 20 GG

Tagesgespräch zu Wirtschaftsthemen wie Geldmarkt, Börse, Währung, Finanzkrise, Inflation aus Deutschland und der Welt

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Beitrag 26.03.2013, 23:37

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Sapnovela
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Das deutsche Grundgesetz legitimiert im § 20 seit 1968 ausdrücklich den Widerstand gegen undemokratische und unsoziale Tyrannei.

Der § 20 im Wortlaut:
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Wo beginnt die Grenze, ab wann Widerstand nicht nur ein theoretisches Recht, sondern ein ganz praktisches Recht wird? Was ist andere Abhilfe gegen die Realität, in der
- die Staatsgewalt nicht mehr vom Volk sondern von einer nicht demokratisch legitimierten supranationalen Organisation ausgeht? 70% der Gesetze werden in Brüssel erdacht und die EZB und ihre Banker heben oder senken den Daumen über ganze Nationen
- die Gesetzgebung - wie im Falle des ESM - Gesetze missachtet? (no-bail-out & Co)
- Wo ist die Grenze des Sozialstaates, wenn die Renten sinken, aber versagende Banker mit Millionenvermögen ihre Pensionsansprüche aus Steuermitteln garantiert bekommen? (HSH Nordbank, HRE & Co)

Der Dominikaner Thomas von Aquin, ein Heiliger der kath. Kirche, legitimiert gewaltsames Vorgehen der Gemeinschaft gegen einen Herrscher, der die Herrschaft gewaltsam usurpiert (Usurpation = Umsturz der Verfassung und die Unterdrückung der Selbstständigkeit eines Staates) hat.
http://books.google.de/books?id=7ejBfC2 ... V.&f=false

Manchmal frage ich mich.... Sind wir alle vom Fernseher und den behämmerten Casting-Shows (Dreiviertel der zwischen 6 und 17 halten die Teilnahme an einer Castingshow im Fernsehen für die größte Chance im Leben...) so verdummt? (http://www.handelsblatt.com/panorama/za ... 09332.html)

Was meint Ihr? Wann kann man tun, was sollte man tun und was muss passieren, damit wir etwas tun?

Beitrag 27.03.2013, 01:05

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prowler
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Sapnovela hat geschrieben: Manchmal frage ich mich.... Sind wir alle vom Fernseher und den behämmerten Casting-Shows (Dreiviertel der zwischen 6 und 17 halten die Teilnahme an einer Castingshow im Fernsehen für die größte Chance im Leben...) so verdummt? (http://www.handelsblatt.com/panorama/za ... 09332.html)

Was meint Ihr? Wann kann man tun, was sollte man tun und was muss passieren, damit wir etwas tun?
In Deutschland ist der Zug meiner Meinung nach abgefahren; pathetisch ist noch ein Euphemismus für die sheeple hierzulande.
Die schonende langfristige Hirnwäsche hat sich perfekt bewährt als Maschinerie zum Dummhalten und desinformieren des Volkes. Da war Huxley mit seiner Vision der "Brave New World" näher an der Realität dran als Orwell´s "1984"!

Hab mir passend dazu letzte Woche für nicht mal 5€ die DVD von "Network" gekauft; ein Film von 1976 über genau dieses Thema, erschreckend, weil aktueller denn je- absolute Empfehlung:

https://www.youtube.com/watch?v=q_qgVn-Op7Q

Ich halte es mit George Carlin, dessen Ansichten ich auch sonst ausnahmslos unterschreiben würde...

https://www.youtube.com/watch?v=ls8RXqyZDsk

Danke für den Thread, ich bin mal gespannt!
"1984" wasn´t supposed to be an instruction manual

Beitrag 27.03.2013, 01:51

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IrresDing
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Sapnovela,

patriotischer Held und Terrorist liegen so knapp nebeneinander, dass ich nicht vermag zu beurteilen, wer nun was ist.

Anders gesagt: Ob man aktiven Widerstand leisten darf hängt von dessen Erfolg ab. Und je nach Erfolg oder Misserfolg bist du entweder ein Landesverräter oder gehst als Revolutionär in die Geschichtsbücher ein.

Dieses Spiel gibt es aber schon weit länger, als den berühmten §20 (4) GG. Der §20 GG ist das Feigenblatt der herrschenden Klasse. Er soll das offensichtliche verschleiern und einem irrationalen Ratespiel eine Gesetzesgrundlage verpassen. Meines Erachtens ist genau das gewollt: Du sollst darüber nachdenken ob dein Handeln nun in den §20 GG fällt oder nicht. Aber du sollst um Gottes Willen beim Grübeln darüber am besten gleich wieder den Gedanken ans aktive Handeln vergessen. Egal ob du aktiven Widerstand gegen eine linke oder rechte Diktatur leistest, oder du gegebenenfalls zum Schluss kommst, dass es auch eine Vielparteiendiktatur geben kann, es ist und bleibt der Grundsatz: Schaffst du das politische System ab bzw. änderst es, wird die nächste politische Führung in die Geschichtsbücher deine Heldentat schreiben. Schaffst du es nicht ab, wird dich das herrschende System als psychisch Irren, Antidemokrat, Faschist oder Terrorist verunglimpfen und über dich richten.

Preisfrage: Ist Che Guevara ein Held oder ein kommunistischer Terrorist gewesen?

Das ist das beschämende offene Geheimnis hinter dem aktiven Widerstand und Absatz 4 des §20 GG. Natürlich sollte man aber auch nicht meinen, man hätte die Weisheit mit Löffeln gefressen. Keiner kann hier behaupten im Namen des Volkes oder zumindest für einen relevanten Teil des Volkes zu sprechen. Nur weil hier einige, mich eingeschlossen, meinen das heutige Geldsystem oder die Euro-Politik ist falsch, darf man nicht seine Meinung über die der anderen stellen. Wobei da das Volk eh geradezu schizophren ist. Es werden vom Durchschnittsmenschen, auch ich, sich völlig gegensätzliche und sich beidseitig ausschließende Ziele verfolgt. Es ist das Recht des Volkes solche Wege trotzdem zu gehen, auch wenn es eigentlich nicht klappen kann. Wir gehen seit 60 Jahren diesen Weg mit Deutschland und man muss trotzdem offen anerkennen, dass in dieser Gesellschaft sich doch erstaunliches getan hat und erreicht wurde. Trotz der teils völlig widersprüchlichen und kontraproduktiven Politik hat es Deutschland doch unbestreitbar zu einem gewissen sozialen Wohlstand gebracht, der auch nach einer möglichen Euro-Pleite in den Sachwerten und gewissen gesellschaftlichen Werten weiter bestehen wird. Keiner sollte sich also als alleiniger und unbestreitbarer Heilsbringer fürs Volk sehen.

Ich halte das anders. In Bertolt Brechts Galileo Galilei wird dieser nach seinem Widerruf vor der Inquisition von Andrea angeklagt:

Andrea:
"Unglücklich das Land, das keine Helden hat."

Darauf antwortet Galilei:
"Unglücklich das Land, das Helden nötig hat."

Und so halte ich es. Sollte dieses Land wirklich mich als Helden irgendwann nötig haben, packe ich mein Päckchen und gehe einfach. Und daran ist nichts feige oder treulos. Wenn dieses Land schon mich als Helden nötig hat, sind wir so weit runter gekommen, dass es nichts mehr zu retten gibt. Wir alle hier treffen Vorkehrungen durch Kauf von Gold und Silber. Es steht jedem frei das gleiche zu tun. Würden es alle Bürger tun, hätten wir eine Revolution schon morgen. Tun sie aber nicht. Also warum soll ich mich opfern, nur um nachher doch auf taube Ohren zu stoßen. Warum soll ich meine Familie verlassen und Gefahr laufen etwas zu tun, was gegebenenfalls als Straftat ausgelegt wird, weil der Staat es eben nicht nach §20 GG auslegt? Warum soll ich Job, Familie und meine eigene Freiheit riskieren für Bürger, die jederzeit selbst und individuell zur Freiheit greifen können, nur mit einem Gang zum Edelmetallhändler? Wenn jeder Bürger nur 10% seiner Bareinlagen von der Bank zum Händler bringt, kollabiert dieses System wegen mangelndem Vertrauen und die Banken gleich mit, da sie damit bekanntlich insolvent wären. Warum soll ich Heilsbringer für jemanden sein, der sein Geld trotz den Euro-Krisen weiterhin achtlos lagert und tatenlos zusieht, wie Bürger des gleichen Systems enteignet werden? Noch vor ein paar Jahren wurden die heute kritisierten Länder gelobt und als Musterbeispiele propagiert. Heute enteignet man genau diese Bürger. Wer es heute nicht rafft, der rafft es auch nicht später.
Ich möchte den Weg des Forums nicht weiter mit beschreiten. Ich wünsche allen Mitgliedern viel Erfolg und danke für die schöne Zeit bis dahin. Bye bye

Beitrag 27.03.2013, 07:28

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Ladon
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@ sapnovela

Wenn Dich die Frage "formal" interessiert , musst Du die "gefühlten" Verhältnisse unberücksichtigt lassen. Der Kernpunkt liegt dann bei der Feststellung, dass die verfassungsmäßige Ordnung beseitigt werden soll oder wurde. Dann greift der Artikel. Also wenn Staatsorgane beseitigt werden (wie es etwa mit dem Amt des Präsidenten in der Deutschen Diktatur geschah).
Oder formal grundlegende Strukturen verändert werden, die zB Gesetz gebende und ausführende Gewalt vereinen würden.
NICHT aber aufgrund einer "gefühlten" Aushöhlung der Idee.
Das ist, wie es oben angedeutet wurde, nämlich nicht objektiv differenzierbar! Man kann kein Recht zum Widerstand aus der Unzufriedenheit mit der Arbeit der Exekutive ableiten.

In diesen Fällen (wiedet siehe oben) ist es rein und rar der Erfolg des Widerstandes, der zählt.
Höflichkeit ist keine Schwäche - Empathie ist keine Dummheit - Moral ist nicht moralinsauer

Beitrag 27.03.2013, 13:11

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Sapnovela
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IrresDing hat geschrieben: patriotischer Held und Terrorist liegen so knapp nebeneinander, dass ich nicht vermag zu beurteilen, wer nun was ist.

Anders gesagt: Ob man aktiven Widerstand leisten darf hängt von dessen Erfolg ab. Und je nach Erfolg oder Misserfolg bist du entweder ein Landesverräter oder gehst als Revolutionär in die Geschichtsbücher ein.
... es geht doch nicht um Bomben bauen smilie_18 Es geht um die Frage was Widerstand ist das und wann kann/soll/muss man wo seinen Comfort-Level verlassen? Es geht auch nicht um einen gefühlt unzufriedenen Zustand sondern die Tatsache, dass die EU eine nicht demokratisch legitimierte Organisation ist, die unseren Staat sukzessive aushöhlt. Es geht um die Frage ob man sich darauf einstellt in x Jahren seine Koffer zu packen, oder ob man versuchen sollte dagegen zu halten.

Stellt Euch einmal vor es gäbe eine Zentralbank in der eine kleine Geldwäsche-Insel oder ein unbedeutendes Geldwäschezentrum südlich von Belgien den gleichen Einfluss haben wie große Staaten und wo zu Gunsten der nationalen Finanzplätze Milliarden Euro aus dem Nichts vorbei am Gesetzt geschaffen werden um genau die Banken der kleinen Länder zu stützen wobei letztentlich die solventen Staaten mit normaler Wirtschaft zahlen müssen... durch eine Rekapitalisierung der Zentralbank nach dem unvermeidlichen Schuldenschnitt. Wo ist die Grenze des demokratischen und sozialen Bundesstaates? Für wen ist der Staat da?

Stellt Euch einmal vor... die EU führte eine EU-weite Steuer ein, entworfen in der EU-Bürokratie, abgesegnet im Ministerrat und mit einfacher Mehrheit der anwesenden Stimmen im Marionetten-Parlament in Brüssel. Nehmt ferner an es handelt sich um eine Steuer, die von einer (klammen) Mehrheit der Staaten gegen eine (vermeintlich reiche) Minderheit konzipiert worden ist. Es könnte z.B. eine Steuer sein, die große Autos trifft, die (fast) nur in einem Land hergestellt werden. Die EU freut sich über eine neue Einnahmequelle nur die Unternehmen und Arbeitnehmer in einem Land sehen in die Röhre, weil sie für alle bluten müssen. Auch gegen den Willen des Volkes... ?

Was ist der Sinn der Demokratie, wenn im "gemeinsamen" Parlament der EU Luxemburg 6 Abgeornetenplätze erhält und damit pro 90.000 Einwohner einen Platz, Deutschand aber mit 81 Millionen Einwohnern 99 Plätze und damit einen Platz pro 820.000 Einwohner. Sind Luxemburger etwas besseres? Die Gleicheren unter den Gleichen?

Was also tun außer das Horten der Dinge zu intensivieren, die man vermeintlich noch mal brauchen könnte...?

Beitrag 27.03.2013, 13:52

Tandem
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Was tun? Als kleines Licht unter kleinen Lichtern kannst nur sowas tun wie Rico Albrecht hier beschreibt
http://www.wissensmanufaktur.net/plan-b
und zwar solange bis es die Mehrheit tut.
Wenn es die Mehrheit nie tut, stirbst du eben als Depp. Sellerie, oder wie der Franzose halt so sagt:-)

In X Jahren abhauen? Da bin ich dann wohl zu alt. Spielt das da:
http://www.youtube.com/watch?v=mPT1sjbGYNg
an meinem Grab, danke.
Zuletzt geändert von Tandem am 27.03.2013, 14:14, insgesamt 1-mal geändert.

Beitrag 27.03.2013, 14:10

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Goldhamster79
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Hör mir mit Popps Sozialismusentwurf auf, das ist nur alter Wein in neuen Schläuchen, Umverteilung unter Staatszwang in unvorstellbarem Umfang.

Vorsicht mit solch falschen Propheten.
Falls Sie in einem Land leben, in dem Sie für das Fischen ohne Anglerschein bestraft werden,
jedoch nicht für den illegalen Grenzübertritt ohne gültigen Reisepass,
dann haben Sie das volle Recht zu sagen, dieses Land wird von Idioten regiert.
M. Zeman

Beitrag 27.03.2013, 14:27

Tandem
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Hehe, das hätte mich auch gewundert, wenn da der Hamster keinen Einwurf getan hätte!

Was deinen Beißreflex auslöst, ist wohl die Komponente BGE in dem Konzept. (?)
Zwar bin ich der Meinung, daß dieses, so wie dort dargestellt, mit Sozialismus nicht viel zu tun hat, aber meinetwegen sei dieser Punkt geschenkt.
Vielleicht hätte ich lieber diesen Link hingestellt:
http://www.wissensmanufaktur.net/steuerboykott
Das trifft eher, was ich meine.

Die abartige Frisur und das Oberlehrergelaber von Popp geht mir auch auf den Zeiger, danke. Aber darauf kommts nicht an.

Beitrag 27.03.2013, 14:58

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Goldhamster79
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Ich beiße bei jeder Art von Propaganda für mehr Staat und weniger Freiheit :P

Beim Thema Steuerboycott bin ich bei Dir,

nicht aber bei jeglicher Art von Umverteilung / Enteignung und dem dafür notwendigen staatlichen Zwangsapparat.

Wer uns Enteignung und gesteigerte Staatsmacht als Lösung des Zwangsschuldgeldsystems und der vielen staatlichen Pfuscherei gegen die Willen der Bürger verkaufen will, der will uns eine neuen Totalitarismus als Paradies andrehen.

Vorsicht vor den Rattenfängern, auch bei alternativen Medien.

Beitrag 27.03.2013, 15:18

Tandem
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Vorsicht vor Rattenfängern ist nie verkehrt... die Grundsatzdiskussion über Staatsgewalt versus individuelle Freiheit wird weder enden noch werden wir jemals einen Konsens finden (vielleicht wir zwei, und dann noch zwei, aber das wirds dann gewesen sein).
Laß mich nur eins sagen, da wird auch der Hardcorehamster zustimmen müssen: egal wie frei der Bürger ist, oder wie das System heißt (das schließt auch das "Non-System" ein),es wird immer einige geben, die bedingungslos hrer Gier folgen, egal wie die Regeln aussehen.
Totale Freiheit für alle- aber erst wenn wir den letzten Machtgeier abgeschossen haben.

Edith fügt hinzu: hat ein vom Hamster gebissener überhaupt eine Überlebenschance?

Beitrag 27.03.2013, 17:12

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IrresDing
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Sapnovela hat geschrieben:
IrresDing hat geschrieben: patriotischer Held und Terrorist liegen so knapp nebeneinander, dass ich nicht vermag zu beurteilen, wer nun was ist.

Anders gesagt: Ob man aktiven Widerstand leisten darf hängt von dessen Erfolg ab. Und je nach Erfolg oder Misserfolg bist du entweder ein Landesverräter oder gehst als Revolutionär in die Geschichtsbücher ein.
... es geht doch nicht um Bomben bauen smilie_18 Es geht um die Frage was Widerstand ist das und wann kann/soll/muss man wo seinen Comfort-Level verlassen? Es geht auch nicht um einen gefühlt unzufriedenen Zustand sondern die Tatsache, dass die EU eine nicht demokratisch legitimierte Organisation ist, die unseren Staat sukzessive aushöhlt. Es geht um die Frage ob man sich darauf einstellt in x Jahren seine Koffer zu packen, oder ob man versuchen sollte dagegen zu halten.
[...]
Gehts dir nun um aktiven oder passiven Widerstand?
Ich möchte den Weg des Forums nicht weiter mit beschreiten. Ich wünsche allen Mitgliedern viel Erfolg und danke für die schöne Zeit bis dahin. Bye bye

Beitrag 27.03.2013, 20:05

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Datenreisender
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Der Staatsrechtler Prof. Dr. Karl Albrecht Schachtschneider hat sich auf dem Wissensforum in Walsrode in seinem äußerst hörenswerten Vortrag mit dem Titel "Revolution - Befreiung zum Recht" ausführlich zu diesem Thema geäußert:

http://www.youtube.com/watch?v=HIw26h4x ... r_embedded

Seine Rede wurde vom Publikum mit langanhaltenden, stehenden Ovationen belohnt.

Beitrag 27.03.2013, 21:44

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Argentum13
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@IrresDing

Mit Bezug auf deinen ersten Beitrag hier: Kluge Gedanken, die ich grundsätzlich so unterschreiben könnte. smilie_01

Ich denke, die meisten von uns hier im Forum können leicht nachvollziehen, dass sich die Frage nach dem Widerstandsrecht, das ja von einigen Philosophen der Aufklärung (z.B. John Locke) mit Blick auf den Absolutismus explizit gefordert worden ist, bei den Eskapaden der sogen. "Eurorettung" stellt. Der ESM (und sein Personal) ist hinsichtlich seiner besonderen Architektur einem gerichtlichen Zugriff entzogen. Inwieweit man argumentieren kann, dass er durch verfassungsmäßige Organe der Mitgliedstaaten eingerichtet worden ist und insofern auch legitim ist, mögen Verfassungsrechtler diskutieren. Das BVerG hat sich ja dazu geäußert - wenn auch noch nicht endgültig (wenn ich richtig informiert bin). Auch wenn eine Mehrheit das sichere Gefühl hätte: So geht das nicht, das kann nicht rechtstaatlich genannt werden, ergibt sich daraus formaljuristisch keine Anwendungsmöglichkeit des § 20/GG.
Der ESM ist letztlich das Ergebnis unserer repräsentativen Demokratie - d.h., wenn wir nicht damit einverstanden sind, haben wir die falschen Repräsentanten gewählt.

Leider wird auch die nächste Wahl mit tödlicher Sicherheit wieder eine große Mehrheit für die Politiker bringen, die den ESM und andere Maßnahmen, die eine Minderheit für Unfug, Irrsinn u.ä. hält, tragen und unterstützen.
Inwieweit ein stärkerer plebiszitärer Charakter durch GG-Novellen ein anderes Ergebnis bringen würde, möchte ich mal offen lassen. Auch die 4.Gewalt in unserem Staat spielt in dieser Frage mehrheitlich klar das Lied der ESM-Willigen. Insofern befürchte ich, dass in dieser Frage die Schafe ihren Hammeln folgen werden.

Was bleibt also für die Kritiker dieses Kurses, die sich nur zu oft die Augen reiben und so viele Fehler (Zypern ist da ja wieder ein negatives Lehrbeispiel) kaum für möglich halten?

Zunächst bei den Bundestags- und kommenden LT-Wahlen keine Stimme den "Rettungswütigen".

Politische Aktivität ausweiten und Unterstützung der Kritiker des Eurorettungskurses.

Politische Aufklärung im persönlichen Umfeld, am Arbeitsplatz usw.

Ansonsten bin ich überzeugt davon, dass sich falsches politisches Handeln bzgl. seiner Auswirkungen auch in der Wirklichkeit zeigen wird; also: Die kommende Zuspitzung der Krise wird auch diese Politik (und hoffentlich auch deren Protagonisten) zu Fall bringen. Man sollte aber auch daran denken, dass sich die Große Koalition (1967?) Notstandsgesetze gegeben hat, auf die die Regierenden "zur Wiederherstellung der Sicherheit und Ordnung" zurückgreifen könnten.

Vielleicht kommt aber alles ganz anders: Der Zufall spielt nicht nur im Leben, sondern auch in der Politik eine oft krass unterschätzte Rolle. Möglicherweise sind die Schwarzen Schwäne schon unterwegs....

Allerdings haben sich Revolutionäre zu keiner Zeit formaljuristischen Überlegungen hingegeben, sondern ihr Handeln politisch verstandern. Ich denke da an eine Bewegung wie in der DDR. Da hat's allerdings nach 1953 ein paar Jahrzehnte gedauert. Ich hoffe, diesmal geht es schneller, denn fast die gesamte politische Klasse in Berlin (und nicht nur da) scheint mir nur begrenzt lernfähig zu sein.

In dieser Hinsicht sollten wir uns mal wieder den Text der Marseillaise anschauen...gute Hinweise gibt's da. smilie_09
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Beitrag 28.03.2013, 05:42

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Ladon
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Argentum13 hat geschrieben:... Ich hoffe, diesmal geht es schneller, denn fast die gesamte politische Klasse in Berlin (und nicht nur da) scheint mir nur begrenzt lernfähig zu sein
...
Oh, die sind schon lernfähig.
... wenn es um Machterhalt geht. Allein die Wandlungen der Parteiprogramme belegen das deutlich. Personifiziert ist das in Horst S aus M. Darin liegt sowohl eine riesen Gefahr, aber auch eine Chance.

Ich hab jetzt grad vergessen wer es war, jedoch ist dieser Spruch tatsächlich der Knackpunkt:
Es geht nicht darum das Staatswesen zu stürzen, sondern es zurück zu erobern!

Wir erleben heute - in großem Maßstab betrachtet - das Scheitetn der ursprünglichen modernen Demokratiebewegung, die im 18. Jhd begann, im 19. augenscheinlich ihren Siegeszug antrat (aber nie die Geldmacht erringen konnte!), im 20. sich scheinbar glibal durchgesetzt hatte, und nun offenbar scheitert.
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Beitrag 28.03.2013, 08:22

Tandem
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Na Klasse, vielen Dank, Ladon.
Prost, auf ein gediegen depressives Osterwochenende!

Beitrag 28.03.2013, 12:10

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Sapnovela
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Datenreisender hat geschrieben:Der Staatsrechtler Prof. Dr. Karl Albrecht Schachtschneider hat sich auf dem Wissensforum in Walsrode in seinem äußerst hörenswerten Vortrag mit dem Titel "Revolution - Befreiung zum Recht" ausführlich zu diesem Thema geäußert:

http://www.youtube.com/watch?v=HIw26h4x ... r_embedded

Seine Rede wurde vom Publikum mit langanhaltenden, stehenden Ovationen belohnt.
Ach Schachtschneider der alte Euro-Phobiker :-) Immerhin ist es ein ermutigendes Zeichen wenn sich ein Staatsrechtler auf den §20 beruft. Die Rede kannte ich bisher nicht, danke dafür Datenreisender. Nur ... die einzige Alternative die Prof. Schachtschneider anbietet ist die AfD... Ich soll die Welt dadurch retten, dass ich meine Stimme an jemand anders abgebe (!) und dann vier Jahre sehen muss, was der damit macht? Naja...

Am Ende wird es in Deutschland so sein, wie es auch schon in früheren Epochen war... Als die Franzosen und Engländer ihrem Adel längst Zug zum Zug die Bürgerrechte abtrozten, war die Deutschen nur darauf erpicht ein "von" vor den Namen zu bekommen. Deutsche sind staatstragend bis in den Abgrund... auch nach 1000 Jahren noch.

Insofern kann man nur hoffen, dass der Zerfall des heutigen Euromaniens wieder an anderen Stellen beginnt und irgendwann den deutschen Michel erreicht. Dänemark, Schweden, Norwegen, Schweiz... u.U. GB, die Liste der europäischen Länder in denen grüne Oasen der Demokratie überleben können ist noch nicht leer.

Beitrag 28.03.2013, 12:39

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Sapnovela hat geschrieben:Die Rede kannte ich bisher nicht, danke dafür Datenreisender. Nur ... die einzige Alternative die Prof. Schachtschneider anbietet ist die AfD... Ich soll die Welt dadurch retten, dass ich meine Stimme an jemand anders abgebe (!) und dann vier Jahre sehen muss, was der damit macht? Naja...
Den Vortrag hat er am 01.10.2011 gehalten ... die AfD kommt darin nicht vor.

Beitrag 28.03.2013, 21:43

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Sapnovela
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Datenreisender hat geschrieben:
Sapnovela hat geschrieben:Die Rede kannte ich bisher nicht, danke dafür Datenreisender. Nur ... die einzige Alternative die Prof. Schachtschneider anbietet ist die AfD... Ich soll die Welt dadurch retten, dass ich meine Stimme an jemand anders abgebe (!) und dann vier Jahre sehen muss, was der damit macht? Naja...
Den Vortrag hat er am 01.10.2011 gehalten ... die AfD kommt darin nicht vor.
Das ist natürlich formal korrekt... aber er hat darauf hingewiesen, dass etwas kommen wird, an dem er selbst beteiligt ist.. und das ist inzwischen formal abgeschlossen und nennt sich AfD. Sorry, aber ich nehme mir die Freiheit 1 und 1 zusammen zu zählen, auch bei den sogenannten Alternativen :-)

smilie_24
/sap

Beitrag 29.03.2013, 11:05

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Argentum13
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Sapnovela hat geschrieben: Ich soll die Welt dadurch retten, dass ich meine Stimme an jemand anders abgebe (!) und dann vier Jahre sehen muss, was der damit macht? Naja...
Das ist eben das Problem der repräsentativen Demokratie. Man erteilt quasi für 4 Jahre eine Bllankovollmacht, die nur auf (meistens wohltönenden) Versprechen beruht, um eben dem "Stimmvieh" die Stimmen abzuluchsen. Zumindest in grundlegenden Fragen für das Land - z.B. die Währung, Delegation von Souveränitätsrechten, Energiewende usw. - sollten die Bürger direkt gefragt werden. Genau davor haben aber fast alle Parteien eine fundamentale Furcht und diskreditieren solche Vorstöße meistens als "Populismus".
Sapnovela hat geschrieben: Deutsche sind staatstragend bis in den Abgrund... auch nach 1000 Jahren noch.
Wenn du mit "staatstragend" meinst, dass sie das politische System nur zögerlich wechseln wollen und auch dabei nur halbherzig verfahren, gebe ich dir recht. Beispiele sind die Revolution 1848/49 und die Novemberrevolution 1918. Auch 1989 gab es viele, die das System nur reformieren wollten. Den Ausschlag gegen die alte DDR gab dann wohl die materielle Verlockung des Westens.

Ansonsten stellt sich ja die Frage nach der politischen Alternative zur Regierung. Diese ist bezüglich der Euro-Politik auf der Berliner Bühne bisher nur begrenzt vorhanden gewesen. Als Kritiker der Euro-ESM-EZB-etc-Politik musste man ohnmächtig mit anschauen, wie sich die übergroße Mehrheit über die Parteigrenzen hinweg einig war - auch dann noch, als die Umfragen schon eine deutliche und schließlich auch mehrheitliche Ablehnung in der Bevölkerung zeigten. Abweichler wurden angefeindet - die Parole der "Alternativlosigkeit" verbreitet. Auch die Bedenken einer großen Front von Volkswirtschaftlern wurde einfach weggewischt. Ein argumentativer Diskurs über den Weg aus der Krise wurde praktisch nicht geführt und von politischen Durchhalteparolen zum "Endsieg" ersetzt.

Die Geschichte zeigt aber, dass erst unmittelbare existenzielle Bedrückungen, (verlorene) Kriege und massive Unterdrückungen (Polizeistaat) zu Volkserhebungen führen. Wir sehen Demonstationen in Euro-Staaten, in denen die Krise im Volk angekommen ist; diese vollziehen sich z.T. auch gewalttätig - richten sich aber z.T. weniger gegen die eigene Regierung als vielmehr pauschal gegen die EU / Brüssel, z.T. gegen Banken oder explizit gegen die deutsche Regierung, die man hinter den Sparmaßnahmen vermutet.

In Deutschland ist das noch nicht der Fall, da die gesellschaftlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen insgesamt noch stimmen. Sollte sich das als Folge der Eurokrise ändern, dürften auch politische Alternativen gesucht werden. Solange trabt die Karawane weiter - ob die AfD nun in den Bundestag kommt oder nicht.
Auch die Frage, ob ein solches Konstrukt wie der ESM mit demokratischen Grundsätzen vereinbar ist, interessiert die große Mehrheit nicht. Erst wenn der allgemeine Wohlstand verloren geht, könnte sich dann auch die Systemfrage stellen, wenn eine politische Alternative nicht in Sicht ist.

Insofern muss man der AfD auch eine systemstabilisierende Funktion zuerkennen. Mir wäre es auch lieb, wenn man das Steuer in der Euro- (und EU-) Politik innerhalb des bestehenden politischen Systems herumreißen könnte. Man weiß nie, was bei Revolutionen herauskommt.
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Beitrag 29.03.2013, 11:54

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Silberhamster
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Ob ein Sachverhalt ein Widerstandsrecht einräumt und ob der Widerstand angemessen war entscheidet ein Geschworenen,- oder Schöffengericht. Bei der Art der Besetzung sehe ich den Widerstand Ausübenden eher dann als Terroristen und Verbrecher verurteilt als als Volksheld gefeiert. Zuerst wäre die Straftat zu würdigen ( Widerstand ohne Straftat wäre kaum möglich, Ghandi würden sie heute abknallen), dann wäre als Schuldausschließungsgrund oder Strafaufhebungsgrund zu prüfen, ob ein Widerstandsrecht gegeben war oder nicht. Bei Freispruch ruft derStaatsanwalt den Bundesgerichtshof an, und der ist kaum besser als der Verfassungsgerichtshof, was dabei herauskommt, kann man sich denken.
Das System ist an sich krank, die Gewaltenteilung funktioniert nicht mehr, die Abgeordneten mit den Parteibüchern segnen jeden Mist ab, den die Regierenden derselben Partei beschossen haben wollen, Gesetze durchwinken nennt man das, Entwürfe dazu stammen von Anwaltskanzleien von Banken und Interessengruppen. (!!) Von der parlamentarischen Kontrolle ist so gut wie nichts mehr übrig, die Abgeordneten sind zum Stimmvieh geworden, die jeden Irrsinn Ihrer Parteigenossen absegnen, selbst wenn sie ihn nicht verstehen, dies um ihrer weiteren Karriere willen.
Passiver Widerstand müßte gut organisiert werden , es müßten die Gewerkschaften dahinterstehen ( totaler Streik oder so) und ob so etwas hier funktionieren würde, bezweifle ich.
Solange die Masssen Brot und Spiele haben werden sie ruhig sein, wenn sie unruhig werden - man sah es an Revolutionen - dann frißt die Revolution irgendwann ihre Kinder .....
Ich persönlich gebe Prof. Schachtschneider juristisch Recht, werde aber meine Kopf dafür nicht hinhalten und lege auch keinen Wert darauf als Revolutionär gefeiert zu werden, was zu meinem biologischen alter nicht mehr ganz paßt.
Grüße Silberhamster
Wahre Worte sind nicht schön, schöne Worte sind nicht wahr ( Laotse)

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