USA - Schuldenfalle Studium

Tagesgespräch zu Wirtschaftsthemen wie Geldmarkt, Börse, Währung, Finanzkrise, Inflation aus Deutschland und der Welt

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Beitrag 01.07.2013, 11:11

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Millionen finanzschwache US-Studenten müssen mit zusätzlichen Kosten rechnen. Ihr Schuldenberg belastet die gesamte Wirtschaft.


http://www.handelsblatt.com/meinung/kol ... 8-all.html

Der amerikanische Traum ist ausgeträumt.
Am kommenden Montag wird die Zinsrate für sogenannte Subsidized Stafford Loans von 3,4 auf 6,8 Prozent angehoben. ... Um das Ausmaß dieser Katastrophe zu verstehen, muss man wissen, dass 2013 mehr als 100 Milliarden an neuen staatlichen Darlehen aufgenommen wurden. .... Doch es geht nicht nur um die gedeckelten Bildungskredite für bedürftige Studenten, sondern um das System an sich. In den letzten zehn Jahren hat der Grad an Verschuldung massiv zugenommen. 2003 waren 250 Milliarden Studienschulden vorhanden, nun sind ungefähr 1,2 Billionen Schulden aus Studienkosten angehäuft worden. Es überrascht daher auch nicht, dass Studienkosten zwischen 2000 und 2010 um durchschnittlich 6000 Dollar gestiegen sind. Es ist ein Teufelskreis. Je mehr die Kosten steigen, desto mehr Schulden müssen aufgenommen werden, um dann später mit Zinsen zurückzubezahlen.
Der Bruder meines Nachbarns, seit 20 Jahren in den USA, kommt zurück. Die Schwester einer Kollegin ist schon vor 5 Jahren zurückgekehrt, inkl amerikanischer Ehemann. Wer die Ereignisse in den USA näher verfolgt, sieht welche Katastrophe auf sie zukommt.

Horrende Staatsschulde, horrende Privatschulden und die horrenden sogg. unfunded liabilities (Verbindlichkeiten des States in der Zukunft, die nicht gedeckt werden können z.B Pensionen, Madicare Madicaid etc), machen eine Erholung rechnerisch unmöglich. Es gibt verschiedene Schattenberechnungen, die von einer Größenordnung bis zu 100 Bilionen gehen, je nach Berechnungsmethode. Der weltweite Derivatenmarkt wird auf bis zu einer Billiarde $ (10 hoch 15) geschätzt!
Gruß

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Beitrag 01.07.2013, 13:22

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thEMa
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Einer meiner Freunde lebt auch seit ettlichen Jahren in den USA und es sieht so aus, als ob auch er in Kürze zurückkehrt. Seine Kinder sind jetzt, ich glaube, 15 und 2mal je 12 Jahre alt (Zwillinge). Er sagt, um seinen Kindern eine akademische Ausbildung zu finanzieren müsste er in den nächsten Jahren in den USA ca. 250.000$ (netto) mehr verdienen als in Deutschland.
Die Kinder gehen dann mit in D abgeschlossenem Studium natürlich in die USA zum Arbeiten und Steuern zahlen - bis deren eigenen Kinder dann wieder an die Uni müssen :twisted:
Ceterum censeo anatocismum esse delendum

Der Zins, sie zu knechten, sie alle zu finden,
ins Dunkel zu treiben und ewig zu binden.

Beitrag 01.07.2013, 13:54

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thEMa hat geschrieben:Einer meiner Freunde lebt auch seit ettlichen Jahren in den USA und es sieht so aus, als ob auch er in Kürze zurückkehrt. Seine Kinder sind jetzt, ich glaube, 15 und 2mal je 12 Jahre alt (Zwillinge). Er sagt, um seinen Kindern eine akademische Ausbildung zu finanzieren müsste er in den nächsten Jahren in den USA ca. 250.000$ (netto) mehr verdienen als in Deutschland.
Die Kinder gehen dann mit in D abgeschlossenem Studium natürlich in die USA zum Arbeiten und Stuern zahlen - bis deren eigenen Kinder dann wieder an die Uni müssen :twisted:

Letzeres bezweifle ich. Wo sollen die denn (gute) Arbeit finden, wenn US Absolventen Ihre Schulden auf Gedei und Verderb zurückzahlen müssen, sei es auch mit unterbezahlten Jobs.

Man kann es nicht verhindern, dass in einer freien Welt die Menschen hin und her ziehen. Schließlich beweisen die Rückkehrer, dass der so oft totgesagte Standort Deutschland langfristig mehr als attraktiv ist. Das jahrelange Bashing der deutschen umlagfinanzierten Sozialversicherungssysteme war nur der Versuch sie zu zerstören. Teilweise hat es auch geklappt, siehe H4, Agenda 2010, Zeitarbeitsfirmen und 3,50 € Löhne. Zum Glück gibt es noch ein Gerüst das funktioniert, auch wenn es natürlich in der Krise ramponiert wurde.

Aber am Ende des Tages fährt man weltweit eher VW als Crysler, und darauf kommt es an.
Gruß

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Beitrag 02.07.2013, 05:27

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Ladon
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Bumerang hat geschrieben:...
Aber am Ende des Tages fährt man weltweit eher VW als Crysler, und darauf kommt es an
...
Wenn wir noch in den überschaubaren und gradlinigen Verhältnissen von 1885 leben würden vielleicht ... die Finanzierungsströme so eines Konzerns haben heutzutage aber nichts mehr mit irgendeinem Land zu tun. Nicht mal im Falle VW und Niedersachsen.
Der Einfluss eines Konzernstandortes auf das Bildungssystem ist auch eher nachrangig.

Viel wichtiger - nichts gegen Deinen Bekannten, thEMa - ist aber doch, dass unser Bildungssystem in Schüler und Studenten einen Haufen Geld steckt (Gut so!!!) und dann aber welche ihren hier gelernten Beruf im Ausland ausüben, wo sie weniger Steuern zahlen ... u.a. weil dort das Bildungssystem privat finanziert werden muss (also den Wohlhabenden vorbehalten bleibt). Sie lassen sich also hier relativ günstig (und anerkannt gut) ausbilden und dort, wo der Berufstätige seinen Verdienst teilweise zur Refinanzierung seiner eigenen Ausbildung braucht (weswegen die Gehälter oft höher sind als hierzulande), können sie diese "Differenz" selbst einstecken. Bezahlt hat das der deutsche Steuerzahler.

Hier gehören endlich internationale Vereinbarungen her (mindestens innerhalb der EU), dass in solchen Fällen dann ans Ausbildungsland eine "Ausbildungs"-Abgabe fällig wird.
Höflichkeit ist keine Schwäche - Empathie ist keine Dummheit - Moral ist nicht moralinsauer

Beitrag 02.07.2013, 06:51

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thEMa
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Ladon hat geschrieben:Sie lassen sich also hier relativ günstig (und anerkannt gut) ausbilden und dort, wo der Berufstätige seinen Verdienst teilweise zur Refinanzierung seiner eigenen Ausbildung braucht (weswegen die Gehälter oft höher sind als hierzulande), können sie diese "Differenz" selbst einstecken. Bezahlt hat das der deutsche Steuerzahler.
Meine Rede! Und meine Folgerung daraus deckt sich auch mit Deiner Einschätzung. Hier müssen andere Rahmenbedingungen geschaffen werden. Dem Individuum kann man hier kaum einen Vorwurf machen.
Zur Erläuterung möchte ich die Situation meines Freundes nochmal etwas genauer beleuchten: Er hatte damals anfang der 90er in Berkeley promoviert, dort seine koreanisch-amerikanische Frau kennengelernt und mit Ihr und dem ersten Kinder erst in den USA, dann für einige Zeit in Aachen und dann wieder in den USA, wo noch die Zwillinge dazu kamen. Die Krisen seit 2008 gingen auch nicht ganz spurlos an der Familie vorrüber, so das das finanzielle Polster recht übersichtlich ist und mein Freund obendrein aktuell arbeitslos ist und aufgrund seiner guten Qualifikation gute Chancen auch auf dem deutschen Arbeitsmarkt hat. Und als Sahnehäubchen werden "Heimkehrer" unter anderem vom bayrischen Staat unglaublich "gepampert"
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Beitrag 02.07.2013, 07:18

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Pfennigfuchser
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Ladon hat geschrieben:Viel wichtiger - nichts gegen Deinen Bekannten, thEMa - ist aber doch, dass unser Bildungssystem in Schüler und Studenten einen Haufen Geld steckt (Gut so!!!) und dann aber welche ihren hier gelernten Beruf im Ausland ausüben, wo sie weniger Steuern zahlen ... u.a. weil dort das Bildungssystem privat finanziert werden muss (also den Wohlhabenden vorbehalten bleibt). Sie lassen sich also hier relativ günstig (und anerkannt gut) ausbilden und dort, wo der Berufstätige seinen Verdienst teilweise zur Refinanzierung seiner eigenen Ausbildung braucht (weswegen die Gehälter oft höher sind als hierzulande), können sie diese "Differenz" selbst einstecken. Bezahlt hat das der deutsche Steuerzahler.

Hier gehören endlich internationale Vereinbarungen her (mindestens innerhalb der EU), dass in solchen Fällen dann ans Ausbildungsland eine "Ausbildungs"-Abgabe fällig wird.
Ich hatte vor längerer Zeit eine einjährige Weiterbildungsmaßnahme vom Arbeitsamt gesponsort bekommen, die mich letztlich auch wieder in Brot und Arbeit gebracht hat. Im Gegenzug wurde verlangt, daß ich nach der Maßnahme mindestens vier Jahre lang in einem sv-pflichtigen Beschäftigungsverhältnis zubringen muß.

Ich finde das fair und könnte mir ähnliches für's Studium vorstellen. Der Ansatz hätte den Charme, daß es keiner Absprachen mit anderen Ländern bedarf. (Schließlich wäre eine Lösung noch in diesem Jahrhundert wünschenswert.)

Beitrag 02.07.2013, 07:32

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Ladon
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@ Pfennigfuchser
So misstrauisch ich bei den "einfachen Lösungen" immer bin ... smilie_16 ... das klingt wirklich verlockend attraktiv. Abschluss, akad. Grad und/oder Berufsausbildung, vielleicht sogar Schule verpflichtet zu versicherungspflichtigem Beschäftigungsverhältnis für eine gewisse Zeit "innerhalb" der Gesellschaft, die diese (Lehr-)Leistungen erbracht hat. Ergänzt vielleicht durch die Möglichkeit freiwillige soziale Dienste ebenfalls anrechnen zu lassen, damit man nicht so vom Arbeitsmarkt abhängt.


Der Teufel wird wie immer im Detail stecken. Leider wird heutzutage bei "Steuern" immer nur an die Einnahme gedacht. Tatsächlich sollten "Steuern" aber eben auch "steuern" ... nämlich lenkend wirkend. Das bedeutet aber, dass man mit ihrer Einnahme nicht rechnen darf! Denn ist sie wirksam, sinkt die erzielte Einnahme!
Ähnlich darf man hier möglicherweise nicht "rechnen": Wie lange muss ein Doktor der Medizin praktizieren (angestellt oder eben "zwangsweise freiwillig" versichert), damit er seine Ausbildung "bezahlt" hat? Das wäre ein total falscher Ansatz, der wieder nur auf die Einnahme/Ausgabe Rechnung verweist. Das Geben und Nehmen innerhalb einer komplexen Gesellschaft kann aber niemals auf buchhalterisches Bilanzieren reduziert werden.
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Beitrag 02.07.2013, 10:11

Duke_78
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Pfennigfuchser hat geschrieben:Ich finde das fair und könnte mir ähnliches für's Studium vorstellen. Der Ansatz hätte den Charme, daß es keiner Absprachen mit anderen Ländern bedarf. (Schließlich wäre eine Lösung noch in diesem Jahrhundert wünschenswert.)
Ich muss Ladon Recht geben. Das würde so einfach nicht funktionieren. Ich beispielsweise habe in Deutschland studiert und anschliessend keinen Job gefunden. Deshalb ging ich nach London und habe dort einige Jahre relevante Berufserfahrung sammeln können. Mittlerweile bin ich wieder in Deutschland und zahle meine Steuern hier. Ein starrer Ansatz à la "wer hier studiert muss hier arbeiten" hätte in meinem Fall sehr schlechte Konsequenzen gehabt.
"Alle Verallgemeinerungen sind gefährlich. Auch diese!"
Alexandre Dumas

Beitrag 02.07.2013, 10:52

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Duke_78 hat geschrieben:
Ich muss Ladon Recht geben. Das würde so einfach nicht funktionieren. Ich beispielsweise habe in Deutschland studiert und anschliessend keinen Job gefunden. Deshalb ging ich nach London und habe dort einige Jahre relevante Berufserfahrung sammeln können. Mittlerweile bin ich wieder in Deutschland und zahle meine Steuern hier. Ein starrer Ansatz à la "wer hier studiert muss hier arbeiten" hätte in meinem Fall sehr schlechte Konsequenzen gehabt.
Genau das meinte ich mit der Bewegung in der freien (Arbeits)Welt. Das "kostenlose" Bildungssystem ist ein allgemeiner Vorteil für den Standort Deutschland. Es gibt schließlich genug Fachkräfte die sich im Ausland haben ausbilden lassen, aber ihr Wissen hier einsetzen. Eine Regelung, in welcher Form auch immer, bringt nichts. Außerdem habe ich Zweifeln, dass sie gesetzeskonform sein würde.

@Ladon, VW war ein Platzhalter für deutsche Produkte. Natürlich werden auch sie nicht vollständig in Deutschland hergestellt. Dennoch haben deutsche Produkte in vielen Fällen Vorteile, die man hierzulande nicht (mehr) sieht (schätzt). Auch ist der Traum der Konzernen z.b. in Brasilien genauso gut Stahl zu produzieren wie hierzulande, ausgeträumt. Firme die in das Billigsegment eingestiegen sind, haben verloren , die die im Qualitätssegment geblieben sind, haben gewonnen, oder zumindest nicht verloren.

Wir müssen besser sein als Andere, wenn es uns gut gehen soll, nicht genauso billig oder billiger! Das sind wir auch in vielen Fällen. Nicht nur die Deutsche Ingenieurskunst ist der Grund dafür, sondern der Deutsche "Arbeiter" auf allen Ebenen, der einfach seinen Job gewissenhaft(er) als viele Andere durchführt. Wer das nicht glaubt, sollte ein Paar Monate im Ausland verbringen.
Gruß

Bumerang
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