Investoren-Flucht schockiert Schwellenländer

Tagesgespräch zu Wirtschaftsthemen wie Geldmarkt, Börse, Währung, Finanzkrise, Inflation aus Deutschland und der Welt

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Beitrag 06.02.2014, 12:51

Fata.Sibyllina
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Die Exportindustrie weist derzeit die Besonderheit auf, dass sie auf hohen Cashbeständen sitzt, die in vielen verschiedenen Fremdwährungen gehalten werden.

Natürlich fallen die laufenden Kosten mehrheitlich in Euro an. Wenn aber die liquiden Mittel so hoch sind, dass der Betrieb auch noch in der Gewinnzone gehalten werden könnte, wenn bspw. die Kunden allesamt ein Jahr oder länger nicht wie kalkuliert zahlen würden, fallen kurzfristige exogene Turbulenzen kaum ins Gewicht. Zudem bleibt jedem Unternehmen die Wahl, in welcher Währung fakturiert wird. Wenn man z.B. auf einen steigenden USD spekulieren möchte, kann ein Unternehmen seine Ware in USD fakturieren und erhält Monate später bei Zahlungseingang möglicherweise einen höheren Gegenwert in EUR. Fiele der Kurs USD/EUR unerwarteterweise schlechter aus, so kann man bequem die USD auf dem Fremdwährungskonto parken, bis die Kurse wieder besser aussehen. Die buchhalterischen Kursverluste wirken sich schon sofort gewinnmindernd aus.

Natürlich ist das riskant, aber dies war immer schon Teil des Geschäfts im Außenhandel, heute allerdings mehr denn je!
Sapere aude, incipe!

Beitrag 06.02.2014, 14:28

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Sapnovela
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herakles hat geschrieben:
Sapnovela hat geschrieben:
herakles hat geschrieben:Ein Industrie-Konzern gewinnt gerade wenn die Währung abwertet (Kosten sinken)
Das gilt nur, wenn das Unternehmen exportieren will. Verkauft das Unternehmen im Inland und ist bspw. auf viele importierte Vorprodukte / Energie angewiesen, steigen seine Preise im Inland an, da die Vorprodukte durch den Währungsverfall entsprechend teuerer werden. Dies führt i.d.R. zu einer nachlassenden Nachfrage im Inland. Das Problem trifft viele Unternehmen, vom kleinen internationalen Spezialitätenrestaurant bis zum großen Konsumgüterhersteller oder der Tankstellenkette.
Exporteure meinte ich auch. Schließlich sollen die Exporte doch das Land retten, nach der Abwertung.

Händler produzieren (kaufen) im Ausland. Klar geht deren Umsatz zurück, aber auch die Verkaufskosten. Also wird teilweise kompensiert. Sie biete vergleichweise wenige Arbeitsplätze an. Und letztendlich haben die indirekt auf Pump gelebt. Das muss halt zurückgefahren werden. Ähnlich ist das für Produzenten die viele Rohstoffe importieren und ihre Produkte "nur" im Inland vermarkten. Sie können aber auf Exporte ausweichen.

Wer Rohstoffe teurer importiert, das Endprodukt aber exportiert, macht immer noch Gewinn.
Das Endprodukt wird halt durch die Abwertung nicht viel billiger sondern nur billiger.
Beispiel.

Auto wird vor der Abwertung für 10k $ exportiert.
Produktionskosten im Inland 6k$ + importierte Rohstoffe 4k$ (sehr vereinfacht)

Nach Abwertung der heimischen Währung hat er z.B. im Inland nur noch 4k$ Kosten, die Rohstoffen kosten immer noch 4k$, also kann er das Auto für 8k$ anbieten und so mehr Umsatz (und Gewinn) zu erzielen, oder er verkauft weiter für 10k und macht so Gewinne.

Alle werden nicht gewinnen, ist schon klar. Das Ziel ist, dass die gewinnen, die etwas produzieren und nicht die von Krediten Leben, die von anderen als Ihre Kunden bezahlt werden.
@herakles
Wollte Dir im Kern gar nicht widersprechen... habe nur Deinen Post als "Aufhänger genutzt".

Mir geht es darum, dass die Abwertung einer Währung die Konjunktur im Inland definiv schwächt und - da die meisten Länder bei weitem keine so ausgeprägte Exportorientierung haben wie Deutschland - der steigende Export das normalerweise nicht ausgleichen kann. Ein Land verscherbelt also letztendlich seine Produkte und muss die Importe teuer bezahlen.

Wenn man durch Abwerung Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit erreichen würde, wäre Italien in den 70er/80ern ein florierendes Land geworden und Hartwährungsländer wie die Schweiz oder DM-Deutschland wären die Armenhäuser geworden.

Beitrag 06.02.2014, 15:05

Geldsammler
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Abwertung ist einfach eine scheinbar elegante Möglichkeit die Einkommen zu drücken, ohne sich mit Gewerkschaften anlegen zu müssen. Das gleiche gilt insbesondere für die Abwertung durch Inflation. Auf die Wettbewerbsfähigkeit hat die Abwertung nur insofern Einfluss, dass die Lohnkosten geringer werden. Wettbewerbsfähigkeit ist aber mehr. Zum Beispiel Effizienz und Qualität. Beides bedarf Reformen, eine Abwertung allein ist dagegen nur Preisdumping und bringt schon mittelfristig nicht viel. Wie sollen die Unternehmen denn bei einer weichen Währung wichtige Investitionen (meist aus dem Ausland) zur Effizienzsteigerung tätigen? Letztlich muss eine Volkswirtschaft immer den bitteren und wahren Weg gehen und nicht den einfachen.
In diesem Zusammenhang finde ich auch eine Deflation für die Menschen und die Wirtschaft wohltuender als eine Inflation. Allerdings müssen dann die Gewerkschaften mitspielen und auf Lohnrunden verzichten. Also reine Theorie, denn die Menschen lassen sich gern von Zahlen blenden, anstatt zu überprüfen, was sie für ihren Nettolohn bekommen.

Beitrag 06.02.2014, 15:45

herakles
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Sapnovela hat geschrieben:
@herakles
Wollte Dir im Kern gar nicht widersprechen... habe nur Deinen Post als "Aufhänger genutzt".

Mir geht es darum, dass die Abwertung einer Währung die Konjunktur im Inland definiv schwächt und - da die meisten Länder bei weitem keine so ausgeprägte Exportorientierung haben wie Deutschland - der steigende Export das normalerweise nicht ausgleichen kann. Ein Land verscherbelt also letztendlich seine Produkte und muss die Importe teuer bezahlen.

Wenn man durch Abwerung Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit erreichen würde, wäre Italien in den 70er/80ern ein florierendes Land geworden und Hartwährungsländer wie die Schweiz oder DM-Deutschland wären die Armenhäuser geworden.
Hab' Dein Post auch nicht als Widerspruch verstanden, sondern als Schritt in die Details.

Ich fange mal damit an, Dir Recht zu geben, dass eine schwache Währung nicht zum Wohlsatnd führen kann. Italien ist ein gutes Beispiel. Ich legen noch eins drauf. In Zimbabwe müsste Milch und Honig fließen :-).

Es geht auch nicht um eine schwache oder starke Währung, sondern um grundsätzliche Wettbewerbsfähigkeit und den richtigen Wert der (Fiat)Währung. Er muss passen. Zu stark ist nix, zu schwach auch nix. Die Währung muss der Wirtschaftsleistung folgen und nicht umgekehrt. Egal wie lange die Fiatgläubiger versuchen uns das Gegenteil zu predigen.


Bevor jemand hier gleich mit dem (gegen)Argument kommt, Gold als Währung wäre für viele kleine Staaten zu stark. Nein. Es gäbe weltweit eine gleich starke Währung. Vor allem aber könnten die starken Staaten, nicht durch Gelddrucken die Weltpreise manipulieren.

Im Wohlstandsvergleich pendelt sich auch heute irgendwann der reale Wechselkurs ein. Wie viele Brote aus dem Inland brauche ich um ein Brot im Ausland zu kaufen.

Kann ich mit einem heimischen Brot im Ausland 5 Brote kaufen, habe ich eine starke Währung (und umgekehrt). Die Zahlen auf den Zetteln sind nach einer rein monetären (politisch gewollten und nicht natürlichen) Auf-/Abwertung für die Wirtschaft ziemlich schnell irrelevant.

Idealerweise herrscht reale Wechselkursparität. Dann hat man ein Gleichgewicht, von dem alle profitieren. Gleichgewicht ist nicht gleicher Wohlstand sondern der Wettbewerbsfähigkeit angemessen.

Beitrag 06.02.2014, 15:55

donnyflame
In diesem Zusammenhang finde ich auch eine Deflation für die Menschen und die Wirtschaft wohltuender als eine Inflation.
Kurzer Crashkurs zum Thema: Wie wird man Schulden los?

1. Inflation/Währungsreform/Geldentwertung

Ich denke der Punkt ist jedem klar.

2. Schuldenschnitt/Schuldenerlass

Gläubiger und Schuldner einigen sich darauf das Schulden erlassen werden. Sowas kann auch ohne Einigung vorkommen, wenn man einfach Zahlungsunfähig ist oder tot :)

3. Schulden zurückzahlen

Der große Traum der leider extrem schwer zu erreichen ist, wenn man zB von der Staatsverschuldung Japans oder Griechenlands ausgeht, wenn man davon ausgeht das man keinen der oben genannten Schritte 1 oder 2 anwendet.

Was hat das mit Deflation zu tun ? Na ganz einfach unser Geldsystem ist ein Schuldgeldsystem. Wenn man nicht will das das Kartenhaus zusammenfällt darf man nicht von Deflation ausgehen. Es gibt ein paar krasse Ausnahmen zB Länder die sehr geringe oder keine Staatsverschuldung haben, aber für den Rest der Welt gilt: Jedes Land ist verschuldet und zwar nicht zu knapp. Das heißt einer der drei Punkte oben muss angewendet werden und Deflation gehört zu keinem der drei Punkte. Dazu kommt noch die private Verschuldung der Haushalte und die Verschuldung der Industrie und Wirtschaft.

Hier nochmal die Staatsschuldenuhr Deutschlands, weils so schön ist:

http://www.gold.de/staatsverschuldung-deutschland.html

Das sind nicht die Schulden von irgend einem abstrakten Staatswesen. Das sind die Schulden jedes einzelnen deutschen Staatsbürgers und von denen die vorhaben hier zu leben und Steuern hier zu zahlen.

Selbst wenn es für Sparer gut wäre wenn wir eine Deflation hätten, spätestens dann wenn der Staat oder die Wirtschaft ihre Schulden nicht mehr tragen können, genau dann fliegt dir dein Umfeld um die Ohren. Das gesparte Geld was dann ein bisschen mehr Wert ist, das hilft dir dann auch nicht mehr weiter wenn der Staat oder die Witschaft ( dein Arbeitgeber ) zahlungsunfähig ist.

Grüße
DF

Beitrag 06.02.2014, 17:29

herakles
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donnyflame hat geschrieben:
In diesem Zusammenhang finde ich auch eine Deflation für die Menschen und die Wirtschaft wohltuender als eine Inflation.

Selbst wenn es für Sparer gut wäre wenn wir eine Deflation hätten, spätestens dann wenn der Staat oder die Wirtschaft ihre Schulden nicht mehr tragen können, genau dann fliegt dir dein Umfeld um die Ohren. Das gesparte Geld was dann ein bisschen mehr Wert ist, das hilft dir dann auch nicht mehr weiter wenn der Staat oder die Witschaft ( dein Arbeitgeber ) zahlungsunfähig ist.

Grüße
DF
Ich mag mich täuschen, aber ich glaube, der Geldsammler meinte ein Deflatorisches System generell, nicht was mit den bereits angehäuften Schulden passiert. Die können nie mehr zurückgeführt werden. Egal ob durch Inflation vernichtet, oder bei Deflation durch Pleiten der Schuldner abgeschrieben. Gewinnen wird aber hier der Horter.

Beitrag 06.02.2014, 17:53

lifesgood
... auch das wäre nicht gut für die Menschen.

Denn das Wesen einer Deflation ist, dass die Waren preisgünstiger werden.

Also warten die Konsumenten mit dem Kaufen ... und warten ... und warten ... und warten...

In der Zwischenzeit müssen die Fabriken, die nichts verkaufen können, ihr Personal ausstellen. Kurzarbeit und eine steigende Arbeitslosigkeit wären die zwangsläufige Folge. Die Kurzarbeiter und arbeitslosen haben dann weniger Geld zur Verfügung und können auch die günstigeren Waren nicht mehr kaufen.

Eine Deflation ist der Anfang einer Abwärtsspirale, die für niemanden gut ist.

Die einzigen Gewinner einer Deflation wären Rentner oder undkündbare Beamte mit einem dicken Bankkonto. Denn deren Einkommen ist nicht von der Konjunktur abhängig, arbeitslos können sie nicht werden und die Kaufkraft des Geldes auf der Bank steigt.

lifesgood

Beitrag 06.02.2014, 18:46

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enderlin5
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lifesgood hat geschrieben: Denn das Wesen einer Deflation ist, dass die Waren preisgünstiger werden.
Also warten die Konsumenten mit dem Kaufen ... und warten ... und warten ... und warten..
So etwas wird oft behauptet, ist aber schwer vorstellbar. Insbesondere regelt sich das System ja von selbst: Sollte von einer Warengruppe wenig verkauft werden, so kann man weniger die Vorteile der Massenproduktion ausspielen und das Produkt wird wieder teurer. Auch der kurzfristige Einbruch, bei dem die Produktionskapazitäten nicht ausgelastet sind, wirkt sich preistreibend auf das Produkt aus, da die Festkosten, Entwicklungskosten und Anschaffungskosten auf weniger Verkaufseinheiten verteilt werden müssen. Gehen durch den Rückgang sogar erste Hersteller pleite, ist der Markt danach weniger umkämpft (im schlimmsten Fall monopolisiert), was sich erneut preistreibend auswirkt.

Wir haben ja durchaus Deflation in einigen Warengruppen der Computertechnik und Elektronik. Hier könnte man ganauso argumentieren, dass z.B. niemand einen Computer kauft, da er den selben Computer in einem Jahr für das halbe Geld bekommen kann. Passiert das so? Im Gegenteil scheinen mir deflatorische Märkte die sozialsten Märkte von allen zu sein. Die wohlhabenden Angeber und Wichtigtuer geben viel Geld für den Neidfaktor aus, dass sie schon die neueste Hardware haben, finanzieren damit aber die Entwicklungskosten und Fabriken und sorgen somit dafür, dass sich nach kurzer Zeit praktisch jeder das tolle Produkt leisten kann. Der Wohlhabende greift eher zu und der Arme muss nur etwas abwarten, jeder wie er kann und möchte - besser geht es doch nicht!

Ich bleibe also dabei, dass es nur das Finanzsystem ist (und nachgelagert die Gewohnheit sinkende Löhne, Mieten, usw. nicht zu akzeptieren), weswegen wir keine Deflation haben dürfen.

Beitrag 06.02.2014, 19:00

Fata.Sibyllina
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So lange die Steuereinnahmen in der Summe nicht analog zu den Produktpreisen sinken dürfen, verpufft der Preisminderungseffekt aus Sicht der Konsumenten. Konkreter: Wenn sich die Waren und Dienstleistungen im Schnitt um 5% verbilligen würden, schrumpften auch die USt-Einnahmen um 5%. Das würde sich der Staat heute schon nicht gefallen lassen, geschweige denn in Zukunft, wenn 'Schuldenbremse' und die stetig steigende Anzahl von Transferleistungs empfängern ihren Tribut fordern werden - vom EURO-Abenteuer ganz zu schweigen.
Zuletzt geändert von Fata.Sibyllina am 06.02.2014, 19:06, insgesamt 2-mal geändert.
Sapere aude, incipe!

Beitrag 06.02.2014, 19:01

donnyflame
Ich bleibe also dabei, dass es nur das Finanzsystem ist (und nachgelagert die Gewohnheit sinkende Löhne, Mieten, usw. nicht zu akzeptieren), weswegen wir keine Deflation haben dürfen.
Richtig. Darauf hab ich mich bezogen. Es geht um das jetzige Geldsystem dem sich keiner entziehen kann. Das Geldsystem hat gewisse Spielregeln an die sich jeder halten muss. Eine davon ist das Deflation tödlich ist.


Natürlich kann man jetzt ein neues Geldsystem entwickeln, aber das ist denke ich nicht das Thema dieses Fadens.

Zusammenfassung:

Entzieht man Märkten/Ländern etc. Liquidität, ist das in diesem Geldsystem leider eine kleine/große Katastrophe :(

Grüße
DF

Beitrag 06.02.2014, 19:38

Geldsammler
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@Lifesgood: Das mit der Deflation und dem Warten auf günstigere Preise stimmt nur für Investitionen, nicht aber für Verbrauchsgüter. Hier kann der Normalbürger einfach nicht warten, sondern ist darauf angewiesen. In diesem Zusammenhang habe ich vielleicht den Begriff "Deflation" auch falsch verwendet. Ich meinte eine Währung, die im Wert wächst im Vergleich zu einer Währung, die im Wert schrumpft. Also eher "importierte" Deflation und Inflation. Beides sind natürliche Reaktionen des Marktes. Wenn ich ein Gut nicht brauche und deshalb nicht (gleich) kaufe, dann ist die Firma, die deshalb pleite geht, einfach überflüssig. Eine normale (wenn auch bei heftiger Deflation unschöne) Erscheinung, die der Wirtschaft grundsätzlich und langfristig gut tut. Der Markt wird immer von Menschen und ihrem Handeln bestimmt. Und es ist nicht Aufgabe einer gesunden Wirtschaft zu wachsen oder Arbeitsplätze zu bieten. Sondern die Folge. Klingt vielleicht hart, aber ist halt so.

Beitrag 06.02.2014, 19:53

herakles
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enderlin5 hat geschrieben:
lifesgood hat geschrieben: Denn das Wesen einer Deflation ist, dass die Waren preisgünstiger werden.
Also warten die Konsumenten mit dem Kaufen ... und warten ... und warten ... und warten..
So etwas wird oft behauptet, ist aber schwer vorstellbar. Insbesondere regelt sich das System ja von selbst: ..... Gehen durch den Rückgang sogar erste Hersteller pleite, ist der Markt danach weniger umkämpft (im schlimmsten Fall monopolisiert), was sich erneut preistreibend auswirkt.

Wir haben ja durchaus Deflation in einigen Warengruppen der Computertechnik und Elektronik. Hier könnte man ganauso argumentieren, dass z.B. niemand einen Computer kauft, da er den selben Computer in einem Jahr für das halbe Geld bekommen kann. Passiert das so? Im Gegenteil scheinen mir deflatorische Märkte die sozialsten Märkte von allen zu sein. Die wohlhabenden Angeber und Wichtigtuer geben viel Geld für den Neidfaktor aus, dass sie schon die neueste Hardware haben, finanzieren damit aber die Entwicklungskosten und Fabriken und sorgen somit dafür, dass sich nach kurzer Zeit praktisch jeder das tolle Produkt leisten kann. Der Wohlhabende greift eher zu und der Arme muss nur etwas abwarten, jeder wie er kann und möchte - besser geht es doch nicht!

Ich bleibe also dabei, dass es nur das Finanzsystem ist (und nachgelagert die Gewohnheit sinkende Löhne, Mieten, usw. nicht zu akzeptieren), weswegen wir keine Deflation haben dürfen.
smilie_01

Bist mir zuvorgekommen.

Edit [s]Fast[/s] alle bisherigen Deflationen waren entweder die Folge staatlicher Regulierungen oder einer zuvor geplatzten Blase.
Das kann man mit keinem Geldsystem verhindern, was wir heute ja sehen.

Beitrag 06.02.2014, 20:12

herakles
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Geldsammler hat geschrieben:@Lifesgood: Das mit der Deflation und dem Warten auf günstigere Preise stimmt nur für Investitionen...
Selbst dafür nicht. Wenn ich als Unternehmer mit einer zusätzlichen Maschine hier und jetzt Gewinne generieren könnte, sie aber nicht kaufe, weil sie in 6 Monaten billiger ist, dann mache ich was falsch. Anders herum, würde ich auch falsch handeln, eine Maschine früher auszutauschen als notwendig, nur weil sie morgen teurer sein wird.

Investitionen werden nicht von den nominalen Preise getrieben sondern vom erwarteten Realgewinn.
Also sind kleine Preise in einer Deflation nicht zwingend weniger Realgewinn, weil die Kaufkraft des Geldes eben steigt.

Beitrag 07.02.2014, 03:51

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Ladon
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Aus was für Gründen hier auch immer die Gefahren einer deflationären Entwicklung kleingeredet werden:

In diesem unserem, "real existierenden", Geld- und Wirtschaftssystem IST Deflation eine katastrophale Sache. Die von lifesgood umrissenen Folgen SIND real und in der Geschichte schon öfter beobachtbar gewesen.
Nur weil einem "Wertzuwachs" des "Geldes" vielleicht sympathisch erscheint, darf man das doch nicht einfach negieren! Solche "Kontraktionen" SIND schmerzhaft. Da nutzt es nichts, wenn man Spezialsituationen anführt, in denen Konsum und Investition trotzdem stattfindet. So z.B. die "deflationären" Computerpreise als Beispiel, dass KEIN Kaufverzicht geübt würde: Nun, die "deflationäre" Entwicklung der Computerpreise ist keine "deflationäre" Entwicklung, sondern eine Preissenkung (warum auch immer) in EINEM Bereich in einem ANSONSTEN INFLATIONÄREN Umfeld!

Aber Gottseidank muss man dabei ja nicht theoretisch bleiben:
Die starken "Schwingungen" der Wirtschaft im 19. Jahrhundert erlauben diverse Blicke auf den realen Ablauf von deflationären Entwicklungen - und natürlich die weltweite Krise der 1930er Jahre.
enderlin5 hat geschrieben:...
Ich bleibe also dabei, dass es nur das Finanzsystem ist (und nachgelagert die Gewohnheit sinkende Löhne, Mieten, usw. nicht zu akzeptieren), weswegen wir keine Deflation haben dürfen.
Richtig. Das Wirtschaftssystem scheut Deflation wie der Teufel das Weihwasser.
Aber: Nicht nur Löhne, Mieten müss(t)en für eine "gesunde Deflation" schrumpfen. Wichtiger ist das "usw."! Nämlich JEDE Form von Einkommen, auch Pensionen, Renten, Gehälter und vor allem eben auch Unternehmensgewinne, Kapitalerträge ... müssten prallel zu den Preisen für Güter und Dienstleistungen fallen.
Ich frage mich immer, wie das funktionieren soll, wenn "Deflation" als "gesunde Gegenbewegung" beschrieben wird.
Niemand springt freiwillig von der Klippe, nur weil die Luft unten gesünder ist. Es werden in der Regel erst einmal die anderen runter geschubst, so lange man das machen kann.
Auch deswegen funktioniert "Deflation" nicht als "Gesundschrumpfen".

Und zuletzt "nur das Finanzsystem" ist es, sagst Du. "Nur"???
Höflichkeit ist keine Schwäche - Empathie ist keine Dummheit - Moral ist nicht moralinsauer

Beitrag 07.02.2014, 03:56

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...
Wenn ich als Unternehmer mit einer zusätzlichen Maschine hier und jetzt Gewinne generieren könnte, sie aber nicht kaufe, weil sie in 6 Monaten billiger ist, dann mache ich was falsch.
...
Nicht mal dann!
Wenn der nominale Gewinn (!) durch den Investitionsverzicht jetzt und die Investition dann, höher ist als der durch die Neuanschaffung zu generierende Mehrwert in diesem Zeitraum.
Wer in irgendeiner Form geschäftlich zu denken vermag, weiß, dass man sich genau diese Frage eigentlich immer stellt, wenn Neuanschaffungen anstehen. In einem "deflationären Umfeld" wird die Entscheidung doch lieber zu warten (schließlich schrumpfen ja auch die Umsätze und man bekommt evt. nicht mal den Kredit für die Investition) einfach von immer mehr Handelnden getroffen.
Höflichkeit ist keine Schwäche - Empathie ist keine Dummheit - Moral ist nicht moralinsauer

Beitrag 07.02.2014, 08:43

lifesgood
herakles hat geschrieben:
Geldsammler hat geschrieben:@Lifesgood: Das mit der Deflation und dem Warten auf günstigere Preise stimmt nur für Investitionen...
Selbst dafür nicht. Wenn ich als Unternehmer mit einer zusätzlichen Maschine hier und jetzt Gewinne generieren könnte, sie aber nicht kaufe, weil sie in 6 Monaten billiger ist, dann mache ich was falsch. Anders herum, würde ich auch falsch handeln, eine Maschine früher auszutauschen als notwendig, nur weil sie morgen teurer sein wird.

Investitionen werden nicht von den nominalen Preise getrieben sondern vom erwarteten Realgewinn.
@Geldsammler: Natürlich können Privathaushalte nicht auf Dinge des täglichen Bedarfs verzichten, die müssen immer gekauft werden. Aber größere Sachen (Auto, Möbel, TV usw. usw.) werden in der Hoffnung auf günstigere Preise nach hinten verschoben. Ist wie mit der Kleidung. In den Läden ist doch erst was los, wenn das "SALE" im Schaufenster steht und die Preise reduziert sind.

@herakles: Offensichtlich fehlt Dir die Fähigkeit Dich in die Lage eines Unternehmers zu versetzen.

Nehmen wir mal an wir haben die Deflation und die Umsätze eines Unternehmens sinken. Glaubst Du wirklich, dass ein Unternehmer dann über die Anschaffung neuer Maschinen nachdenkt? Nein, er wird in erster Linie versuchen, seine Kosten in den Griff zu bekommen. Er wird also eher Kosten reduzieren, durch Optimierung von Prozessen und ggf. Freisetzung von Personal, aber sicher nicht über Kapazitätsausweitung, was meist der Grund für neue Maschinen ist, nachdenken.

Hinzu kommt, wie Ladon schon schreibt, dass es wohl auch keinen Kredit dafür gäbe. Denn die Eigenkapitaldecke der Unternehmen ist sehr gering, das heißt die meisten Unternehmen, könnten ohne Kredit keine neuen Maschinen anschaffen. Was macht die Bank, sie sieht sich die Unternehmenszahlen an, die in einem Deflationsszenario wohl eher eine negative Entwicklung vorweisen. Vor diesem Hintergrund wird es äußerst schwierig die Bank von der Notwendigkeit der Investition zu überzeugen.

lifesgood

Beitrag 07.02.2014, 11:55

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EZB
Schwellenländer werden zum Risiko für Euro-Zone

Die Unsicherheit in den Schwellenländern kann auch die Euro-Konjunktur gefährden, warnt EZB-Präsident Mario Draghi. Die Erholung der Wirtschaft in der Euro-Zone sei deshalb "immer noch fragil."

http://www.welt.de/wirtschaft/article12 ... -Zone.html

Beitrag 07.02.2014, 14:52

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enderlin5
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Ladon hat geschrieben: Und zuletzt "nur das Finanzsystem" ist es, sagst Du. "Nur"???
Ja, nur! smilie_16

Alles eine Frage der Perspektive. Das Finanzsystem halte ich für Überwindbarer als die Kräfte des Marktes. Die These von lifesgood implizierte ja, dass eine Deflation bereits unter den Kräften des Marktes zur Katastrophe führt, was für mich eine ganz andere Dimension hätte.
Das Finanzsystem führt diese Generation in eine Katastrophe (egal wie intensiv man versucht, das Geldwachstum aufrecht zu erhalten) und das wird auch noch drei, vier oder hundert Generationen genauso gehen. Aber letztlich denke ich nicht, dass die Menschheit irgendwann ausstirbt und bis dahin nie ihr Finanzsystem reformieren konnte. Soviel Optimismus möchte sein.

Beitrag 07.02.2014, 15:14

donnyflame
Aber letztlich denke ich nicht, dass die Menschheit irgendwann ausstirbt und bis dahin nie ihr Finanzsystem reformieren konnte. Soviel Optimismus möchte sein.
smilie_01

Es gibt genug schlaue Köpfe die bereits an neuen Lösungen arbeiten. Von daher muss man einfach nur abwarten. Von einem kompletten Zusammenbruch würde ich nicht ausgehen, langsam aber sicher verfallen die Teile die nicht mehr tragbar sind und werden durch etwas neues ersetzt. Dazu muss das System aber nicht komplett in Schutt und Asche liegen. ;)

Grüße
DF

Beitrag 07.02.2014, 16:02

herakles
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Ladon und lifesgood

bitte alles lesen was ich schreibe.

Ich hatte es, genauso wie enderlin, betont, dass in einem natürlich deflatorischen Umfeld, also ein nicht vorher inflationiertes, der Markt ganz normal funktionieren würde. In so einem Umfeld kann es nicht plötzlich zu einer monetären Deflation kommen. Zu einer Lohndeflation sowieso nicht.

Blasen sind aber auch in solch einem System nicht auszuschließen. Da muss man durch. Wenn Unternehmer nur aufgrund einer Blase Kapazitäten aufgebaut haben, müssen diese nach der Blase zurückfahren. Es ist einfach richtig es zu tun und sie nicht auf Kosten der Allgemeinheit zu subventionieren.

In einem deflatorischen System muss das Hartgeld sogar in Wert zunehmen, wenn immer mehr produziert wird. Gold hat einen Wert. Die Arbeitsstunde hat einen Wert. Ihr Verhältnis muss sich doch nicht ändern, nur weil in 8 Stunden mehr produziert wird, oder liege ich falsch? Mehr Waren (Angebot) führen zu kleineren Preise. Ladon sagt sogar, das ist keine Deflation.

Der Output steigt durch die Produktivität die gleichmäßig an die Wertschöpfer übertragen wird. AN und AG!! Bei AN durch das im Wert gestiegene Gehalt, bei AG durch den im Wert gestiegenen Gewinn. Wo sol da ein Problem sein?

Heute verlieren AN an Wert durch die Inflation, obwohl sie in der selben Zeit immer mehr leisten!!! AG können preise flexibler (nach oben) anpassen und sind so durch die Inflation kaum oder nur teilweise betroffen. Wer Preise nicht anpassen kann, hat ein anderes Problem.


Ja, im heutigen System, das bereits auf dem Holzweg ist, kann Deflation sich tatsächlich verheerend auswirken. Deshalb kann eine weitere Inflationierung dennoch nicht richtig sein, gerade weil der Zusammenbruch nicht aufgehalten sondern nur verschoben werden kann. So oder so muss das System geändert werden, falls wir etwas daraus lernen.

PS @lifesgood ich dachte, wir wären über die Stufe der persönlichen Anfeindungen hinaus. Selbstverständlich setzte ich voraus, dass der Unternehmer mit der neuen Maschine einen höheren Gewinn erzielt als die erwartete Preissenkung der Maschine in der Zeit bis zur späteren Anschaffung. Das Problem hat er heute auch, nur anders herum. Nur eine Glaskugel würde ihm helfen.

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