Der Mittelschicht geht das Geld aus

Tagesgespräch zu Wirtschaftsthemen wie Geldmarkt, Börse, Währung, Finanzkrise, Inflation aus Deutschland und der Welt

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Beitrag 15.05.2016, 11:18

BOB
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Ein statistischer 3-Personen-Haushalt ("klassisch", d.h. ohne WGs, Homo-, Bi-, Trans- oder welche Gender auch immer) besteht aus Mann, Frau und einem Kind.
Und auch heute noch beobachte ich täglich und nicht als sensationell konservative Ausnahme das Modell, dass (meist) der Mann in Vollzeit arbeitet und (meist) die Frau sich um Familie und Haushalt kümmert und nach einer Kinderpause in einem meist schlechter bezahlten Beruf (Verkäuferin, Bürohilfe u.a.) in Teilzeit "etwas dazuverdient". Somit reden wir beim Brutto-Einkommen eines 3-Personen-Haushalts vielleicht vom 1,3-fachen des Singles.
Aber jede weitere Rechnerei mit Median und Bandbreite ist ein beliebiges Zahlenspiel - für mich ist "Mittelschicht" vor allem etwas "gefühltes".

Beitrag 15.05.2016, 11:52

Turnbeutelvergesser
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Yep, 'gefühlt' trifft´s am besten. Es gibt nun mal nicht den Durchschnittsmenschen/Haushalt/Familie.

Beitrag 15.05.2016, 14:22

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Sapnovela
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Gefühlt ist bei Statistiken aber nicht das Mittel der Wahl.

Mit 2660 Euro brutto pro Monat ist man genausowenig Mittelschicht, wie mit knapp über 7950 Oberschicht. 7950 pro Monat sind sicherlich staatlich, aber nach ca. 2500 Euro Steuern und ca. 1000 Euro Sozialabgaben bleiben ca. 4500 netto übrig. Davon läßt es sicher gut leben, aber ist das ein Einkommen oberhalbt der Mittelschicht?
In einem Land, wo ein ganz normales. städtisches EFH ca. 500.000 Euro kostet und man dann 25 Jahre lang 2000 Euro, sprich 45% des Nettos in die Abzahlung stecken muss (Reinvest nicht eingerechnet).
In einem Land, wo ca. 1 Millionen Millionäre leben?

smilie_20

Die Zahlen sind gequirlte Sche...., zur Beruhigung der Massen.

Beitrag 15.05.2016, 16:16

BOB
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@Sapnovela:
Du möchtest also die "Mittelschicht" statistisch erfasst wissen und nur das Ergebnis erkennst Du nicht an?
Falls Du nicht die Zahlen selbst anzweifelst, sondern deren Einordnung nach international etwas unterschiedlichen, aber doch klar definierten Bereichen, wären wir doch wieder bei "gefühlt". Ein Grundproblem der Einteilung in Ober-, Mittel- und Unterschicht ist doch, dass fast alle in die mittlere Gruppe wollen. Auch ein einfacher Arbeiter mit Tariflohn in Vollzeitbeschäftigung zählt sich ungern zur "Unterschicht", weil er dort ganz andere verortet. Er geht davon aus, dass das (wenn auch noch nicht abbezahlte) Reihenmittelhaus, sein Pkw und der jährliche Familienurlaub doch wohl Beweis genug sind.
Vor allem aber berücksichtigt die gängige Definition nur Einkommen und nicht Vermögen. Wer von den Eltern das Haus geerbt hat, verdient deshlab nicht mehr, hat aber keine Ausgaben für Miete oder Hypothek.
Früher hätte ich mit "Mittelschicht" eher Bildung und Beruf verknüpft, aber das ist im Zeitalter des (Dünnbrett-)Studiums für fast jeden auch nicht mehr aussagekräftig.

Beitrag 15.05.2016, 18:22

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Sapnovela
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BOB hat geschrieben:@Sapnovela:
Du möchtest also die "Mittelschicht" statistisch erfasst wissen und nur das Ergebnis erkennst Du nicht an?
Traue keiner Statistik, die Du nicht selbst... Was gibt es nicht alles für Tricks, um das Einkommen schön zu rechnen. Äquivalenzeinkommen nennt sich z.B. die Formel, nach der das Einkommen einer vierköpfigen Familie natürlich nicht durch vier, sondern z.B. im Falle einer Familie mit zwei Eltern und zwei Kindern von 13 und 16 Jahren durch 2,3 geteilt wird. Schwups... ohne mehr Geld in der Tasche haben wir dann mehr Geld in der Statistik.

Siehe dazu:
https://www.diw.de/de/diw_01.c.411605.d ... ommen.html
BOB hat geschrieben: Falls Du nicht die Zahlen selbst anzweifelst, sondern deren Einordnung nach international etwas unterschiedlichen, aber doch klar definierten Bereichen, wären wir doch wieder bei "gefühlt". Ein Grundproblem der Einteilung in Ober-, Mittel- und Unterschicht ist doch, dass fast alle in die mittlere Gruppe wollen. Auch ein einfacher Arbeiter mit Tariflohn in Vollzeitbeschäftigung zählt sich ungern zur "Unterschicht", weil er dort ganz andere verortet. Er geht davon aus, dass das (wenn auch noch nicht abbezahlte) Reihenmittelhaus, sein Pkw und der jährliche Familienurlaub doch wohl Beweis genug sind.
Genau dazu dienen die Artikel in den Verblödungsmagazinen wie Focus. Offensichtlich wirkt es ja auch. "Uns geht es gut." "Wir sind Export-Weltmeister" blabla. Die Realität sieht dann aber ganz anders aus. Ein Brutto-Haushaltseinkommen von 2660 Euro pro Monat bedeutet nach Sozialabgaben irgendwas in der Größenordnung von 1700 bis 1800 Euro Netto. Macht bei drei Nasen pro Tag ca. 20 Euro die Nase. Ist doch albern, da von Mittelschicht zu reden. Da muss jeder Kinobesucht gut überlegt werden
BOB hat geschrieben: Vor allem aber berücksichtigt die gängige Definition nur Einkommen und nicht Vermögen. Wer von den Eltern das Haus geerbt hat, verdient deshlab nicht mehr, hat aber keine Ausgaben für Miete oder Hypothek.
Das ist in der Tat ein weiteres Grundproblem, neben den völlig albernen Einkommensgrenzen.
BOB hat geschrieben:Früher hätte ich mit "Mittelschicht" eher Bildung und Beruf verknüpft, aber das ist im Zeitalter des (Dünnbrett-)Studiums für fast jeden auch nicht mehr aussagekräftig.
Alles für die Statistik... die Akademikerquote muss noch, koste es was es wolle.

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